Predigt zum 5. Sonntag im Jahreskreis (Mt 5,13-16)
Salz, Licht, Stadt auf dem Berg
Zum heutigen Evangelium gibt es eine passende Anekdote aus dem Leben des heiligen Franz von Sales. Um diese jedoch leichter zu verstehen, muss man wissen, was Salz und Licht auf Lateinisch heißt, nämlich Sal und Lux.
Franz von Sales besuchte 1603 als frisch geweihter Bischof eine seiner Nachbardiözesen, nämlich die Diözese Saluzzo. Als er dort mit dem Bischof von Saluzzo am Eingang des Domes stand, ließ ihm dieser den Vortritt, mit den Worten: „Franz, tritt ein, du bist ja Sales – das Salz“. Daraufhin antwortete Franz von Sales: „Dann musst du als Erster gehen, denn du bist noch mehr: du bist Bischof von Saluzzo – also Salz und Licht“.
Was uns diese Anekdote deutlich machen will, ist mehr, als nur die Höflichkeitsgesten von zwei Bischöfen. Jeder möchte dem anderen den Vortritt lassen und stellt ihn deshalb höher als ihn selbst. Uns wird auch das heutige Evangelium vor Augen geführt, in dem Jesus allen Menschen, die ihn hören, sagt: „Ihr seid das Licht der Welt – ihr seid das Salz der Erde – ihr seid die Stadt auf dem Berg“. Das gilt nicht nur für jene Menschen, die damals die Bergpredigt Jesu hörten, auch nicht nur für Franz von Sales oder den Bischof von Saluzzo, dieses Wort Jesu ist immer noch gültig: eine jede Christin, ein jeder Christ ist in der Welt Salz, Licht und Stadt auf dem Berg.
Für uns heute ist das vielleicht nichts Besonderes mehr. Wir sind es gewohnt, den Schalter umzudrehen, und schon ist es hell. Wir brauchen nur ins nächste Lebensmittelgeschäft zu gehen und schon haben wir Salz – und Städte auf Bergen kennen wir auch zur Genüge. Zur Zeit Jesu, aber auch noch zur Zeit des heiligen Franz von Sales, gab es noch keine Elektrizität. Hell wurde es nur durch die Sonne – oder durch das Feuer. Licht war etwas Wertvolles, die Dunkelheit machte Angst, das Licht befreite von Angst und schaffte Orientierung.
Für das Salz galt Ähnliches: Salz war das einzige Mittel, um Lebensmittel haltbar zu machen. Es gab ja noch keine Kühlschränke und Gefriertruhen. Salz verwandelte nicht nur den Geschmack der Nahrung, es konservierte diese auch. Salz war so wertvoll, dass es das „weiße Gold“ genannt wurde – und nicht selten wurden wegen des wertvollen Salzes, das den Lebenserhalt der Menschen sicherte, Kriege geführt.
Und Städte auf einem Berg zu errichten, war eine architektonische Meisterleistung, vor der man heute noch staunt. Eine Stadt auf einem Berg wurde jedoch von weitem gesehen, schaffte einen wunderbaren Überblick und stellte eine praktisch uneinnehmbare Festung dar.
All das verbanden die Menschen zur Zeit Jesu und zur Zeit des Franz von Sales mit Salz, Licht und Stadt auf dem Berg. Sie wusste damit ganz genau, was Jesus von ihnen erwartete:
Christen sollen Orientierung sein, vor allem in Zeiten, in denen es dunkel ist. Sie sollen in ihrer Umgebung die Angst vertreiben.
Christen sollen das Leben schmackhaft machen, und vor allem sollen sie das Leben vor Fäulnis, Verwesung und Untergang bewahren.
Und schließlich sollen sie weithin sichtbar sein und für den Überblick im Chaos dieser Welt sorgen.
Manchmal gelingt uns Christen das sehr gut: der heilige Franz von Sales ist ein Beispiel dafür, manchmal tun wir uns mit dieser Aufgabe schwer. Genau da sollten wir nicht vergessen, dass wir nicht allein sind, sondern der Dreifaltige Gott – Gott Vater, Gott Sohn und Gott Heiliger Geist – auf unserer Seite steht. Und wir dürfen darauf vertrauen, dass das, was Franz von Sales sagt, auch tatsächlich stimmt, nämlich: „Die Starken führt Gott an der Hand, die Schwachen nimmt er in seine Arme“ (DASal 5,224). Amen.
P. Herbert Winklehner OSFS