Predigt zum 5. Sonntag im Jahreskreis (Lk 5,1-11)

Achterbahn der Gefühle

Die Geschichte der Kirche ist von Anfang an geprägt von großen Erfolgen, aber auch von großen Misserfolgen. Das gehört offenbar dazu, heute genauso wie vor 2000 Jahren.

Da spricht das Evangelium davon, dass sich die Volksmenge um Jesus drängte, um das Wort Gottes zu hören. Jesus musste sogar in ein Boot steigen und von dort aus das Volk lehren.

Und gleich darauf folgt die andere Seite der Medaille: „Wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen.“

Und noch einmal wendet sich das Blatt: Sie fingen ein so große Menge Fische, dass die Netze zu zerreißen drohten und die Boote fast untergingen.

Nach dieser Erfahrung wirft sich Petrus vor Jesus hin und bekennt: „Geh weg von mir, denn ich bin ein sündiger Mensch.“ Und Jesus antwortet: „Fürchte dich nicht. Von jetzt an wirst du Menschen fangen“.

Es geht in dieser Erzählung hin und her. Einmal großer Jubel, dann gleich darauf Frustration und Zerknirschung. Eine wahre Achterbahn der Gefühle.

Und so scheint es bis heute zu sein, wenn man sich die Nachrichten über die Kirche so anschaut. Da jubeln dem Papst hunderttausende Menschen zu … am nächsten Tag wird von Skandalen berichtet, der ganze Diözesen in den Abgrund stürzt. Zum Weltjugendtag kommen Millionen Jugendliche, daneben werden die Kirchenbänke in den Pfarren immer leerer und die Zahl jener, die die Kirche verlassen nimmt ständig zu.

Es ist ein Hin und Her, ein Auf und Ab. Oft ist man versucht, wie Petrus zu sagen: „Es ist sinnlos, die ganze Nacht haben wir gearbeitet und nichts gefangen“. Und im nächsten Augenblick ist das Boot so voll, dass es fast untergeht. Und all das gab es auch vor vierhundert Jahren. Als der heilige Franz von Sales als Neupriester mit vollem Schwung versuchte, jenen Teil seiner Diözese, der sich von der katholischen Kirche abgewandt hatte, zurückzugewinnen, war sein Erfolg eher dürftig. An den heiligen Petrus Kanisius schreibt er damals frustriert: „Ich bin jetzt schon den neunten Monat [hier] … und habe erst acht Ähren in die Scheuern des Herrn einbringen können“ (DASal 8,20). Das klingt wie Petrus: „Die ganz Nacht haben wir gearbeitet und nichts gefangen.“

Zwei Jahre später aber darf Franz von Sales jubeln: Bis auf ganz wenige Ausnahmen sind alle wieder zur katholischen Kirche zurückgekehrt.

Was können wir aus all dem lernen? Ich glaube, das Allerwichtigste ist dieses Wort, das Jesus zu Petrus sagt: „Fürchte dich nicht!“ Und weiter: Du hast völlig recht: Du bist ein sündiger Mensch, hast viele Fehler und Schwächen, vieles gelingt dir nicht … aber „Fürchte dich nicht!“ Ich bin bei dir, ich helfe dir. Wenn du tust, was ich dir sage, dann wird letzten Endes alles gut. Der heilige Franz von Sales hatte dieses Gottvertrauen – im Misserfolg genauso wie im Erfolg. Und so schreibt er in seinem theologischen Hauptwerk Abhandlung über die Gottesliebe (Theotimus):

„Unaufhörlich ist [der Herr] um jene besorgt, die seine Kinder … sind. Bald lässt er sie gleichsam vor sich hergehen, ihnen bei Schwierigkeiten die Hand reichend, bald trägt er sie durch Müh und Leid hindurch, die ihnen sonst unerträglich wären. … ‚Ich bin dein Gott; ich halte dich an der Hand und sage dir: Fürchte dich nicht, ich helfe dir‘ (Jes 41,13). Daher müssen wir mit starkem Mut ein ganz großes Vertrauen auf Gott und seine Hilfe fassen. Wenn wir seiner Gnade nicht untreu sind, wird er in uns das gute Werk der Heiligung vollenden, wie er es auch begonnen hat (Phil 1,6). Er wird das ‚Wollen und Vollbringen in uns bewirken‘“ (DASal 3,172-173). Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS