Predigt zum 4. Fastensonntag (Lk 15,1-3.11-32)
So ist Gott zu uns
Der vierte Fastensonntag ist nach alter kirchlicher Tradition der „Sonntag Laetare“ – also der „Sonntag der Freude“. In der Mitte der österlichen Bußzeit blitzt also etwas von der Herrlichkeit Gottes auf, von der Freude des bevorstehenden Osterfestes.
Und das Evangelium des heutigen Sonntags bietet wahrlich eine ganze Menge, damit wir uns freuen können. Es ist neben dem Weihnachtsevangelium eines der bekanntesten Stellen der gesamten Bibel: das Gleichnis vom barmherzigen Vater. Mit diesem Gleichnis erzählt uns Jesus Christus eine Geschichte von Gott – und darüber dürfen wir uns wirklich freuen.
Gott ist nämlich nach diesem Gleichnis ein Gott, der täglich hinausgeht auf den Hügel, damit er uns schon von weitem kommen sieht, weil er Mitleid mit uns hat. „Gott zieht uns nicht mit eisernen Fesseln an sich wie Stiere oder Büffel, sondern er wirbt um uns, er lockt uns liebevoll“ (DASal 3,129), sagt der heilige Franz von Sales. Gott lässt uns also die Freiheit, Entscheidungen zu treffen – für ihn oder gegen ihn, aber er wünscht sich nicht so sehr, als dass wir uns für ihn entscheiden. Diese Sehnsucht Gottes nach den Menschen wird im Gleichnis vom barmherzigen Vater wunderbar spürbar: „Der Vater sah ihn schon von Weitem und er hatte Mitleid mit ihm.“
Und das wird in den nächsten Sätzen noch deutlicher: „Er läuft dem Sohn entgegen, fällt ihm um den Hals und küsste ihn.“ Gott wird also hier geschildert als ein Gott, der uns entgegenläuft, der uns um den Hals fällt und küsst. Er schließt uns in seine Arme. Er tut es, ohne uns vorher zu fragen, ob wir denn diese Umarmung überhaupt verdient haben. Der heilige Franz von Sales beschreibt dieses Verhalten Gottes gegenüber den Menschen mit dem Satz: „Wir sollen uns nicht darüber sorgen, wenn wir uns schwach fühlen, da wir doch wissen, dass Gott stark und gut zu uns ist“ (DASal 5,396).
Und Gott tut sogar noch mehr. Er kleidet seinen verlorenen Sohn mit den besten Gewändern neu ein, er schenkt ihm einen Ring, zieht ihm die Schuhe an … er lässt das Mastkalb schlachten und lädt ein zu einem fröhlichen Festessen.
Es gibt in diesem Gleichnis einen Satz, der zweimal vorkommt – das bedeutet, dass dieses Satz der wichtigste von allen ist. Er gibt nämlich den Grund an, weshalb all das geschieht: „Mein Sohn war tot und lebt wieder. Er war verloren und ist wiedergefunden.“ „Gott ist ein Gott der Freude“ (DASal 6,89), schreibt Franz von Sales. Er will nicht den Tod des Sünders, er will, dass er umkehrt und lebt. Er will ihn aber nicht dazu zwingen, sondern möchte, dass er diesen Weg aus freien Stücken geht. Denn Liebe ist eben nur in Freiheit möglich. Wir können Gott keine größere Freude machen, als dass wir genau diese freie Entscheidung für ihn treffen: Ja, Gott, ich komme zu dir. Ich werfe mich in deine Arme, ich lasse mich von dir beschenken mit deiner ganzen Liebe, die du für mich bereithältst.
Und diese Liebe gilt nicht nur für die Verlorenen, sie gilt auch für jene, die Zuhause geblieben sind: „Alles, was mein ist, ist auch dein“, heißt es im Gleichnis. Eifersucht hat bei Gott keinen Platz, seine Liebe und Barmherzigkeit ist grenzenlos, ja maßlos. Sie ist da in Hülle und Fülle, niemand braucht sich ausgeschlossen fühlen oder meinen, er bekäme zu wenig, wenn der andere auch etwas davon bekommt. „Nur eines ist wichtig: dass der Schöpfer uns liebt. Seine Liebe ist uns ganz sicher, und das soll uns genügen.“ (DASal 2,336) sagt Franz von Sales. Und er betet: „O unendlich guter Gott! Du verlässt nur jene, die Dich verlassen. Niemals entziehst Du uns Deine Gaben, außer wir ziehen unsere Herzen von Dir zurück“ (DASal 1,125). Alle aber, die zu ihm kommen, egal wie ihr Leben bisher auch gelaufen sein mag, ob in der ersten Stunde oder in der letzten, alle werden mit offenen Armen empfangen, um ein fröhliches Fest zu feiern.
Möge uns der heutige Sonntag dazu anregen, Gott eine Freude zu machen, indem wir uns ganz einfach in seine Arme fallen lassen. Amen.
P. Herbert Winklehner OSFS