Predigt zum 32. Sonntag im Jahreskreis (Lk 20,27.34-38)

Weil Jesus lebt …

Gott ist doch kein Gott von Toten, so lautet die zentrale Botschaft des heutigen Evangeliums, sondern ein Gott von Lebenden.

Hintergrund dieser Aussage ist eine Auseinandersetzung mit der Partei der Sadduzäer, die zur Zeit Jesu bestritten, dass es eine Auferstehung oder gar ein ewiges Leben gibt.

Und damit sind wir eigentlich auch schon mitten in der Gegenwart angekommen. Der Glaube an die Auferstehung und an das Ewige Leben ist angefragt.

Kürzlich las ich ein Buch, das den Menschen helfen soll, ihre Trauer über den Verlust eines lieben Verstorbenen zu bewältigen. Die Hoffnung auf die Auferstehung und das Ewige Leben in Gottes liebender Gegenwart kam darin nur ganz am Rande vor, und auch eher entschuldigend und kritisch, als leere Worthülse, die die Trauer eines Menschen nicht ernst nimmt.

Ich hab mir bisher immer gedacht, dass das ewige Leben eigentlich die einzige Hoffnung ist, die wir im Angesicht des unvermeidbaren und endgültigen Todes überhaupt noch haben. Das einzige, was wir Christen am offenen Grab sagen können, lautet: Der Tod ist nicht das Ende in einem ewigen bodenlosen Nichts, sondern der Beginn eines neuen Lebens, zu dem wir alle unterwegs sind. Der Tote ist nicht ausgelöscht, er lebt in der Herrlichkeit Gottes, der – wie Jesus Christus bezeugt – ein Gott der Lebenden ist und nicht der Toten.

Oder wie der heilige Franz von Sales sagt: „Wir meinen ja, die aus dieser Welt geschieden sind, seien immer im Tod und wir seien im Leben. Aber ach, wie täuschen wir uns! Sie sind im Frieden (Weish 3,3) und in der Ruhe des wahren und dauerhaften Lebens, und wir sind viel eher im Tod, in den wir immer mehr versinken, bis wir ihn durchschritten haben“ (DASal 12,253-254).

Sind solche Aussagen wirklich nur leere Worthülsen, die die Trauer über den Verlust eines Menschen nicht ernst nehmen?

Mir ist schon klar, dass mit dem Tod eine Welt zusammenbricht. Nichts ist mehr so, wie es vorher war. Nichts kann mehr rückgängig gemacht werden. Und es gibt genug Menschen, die bei einer solchen Erfahrung von ihrem Schmerz förmlich zerrissen werden. Der Mensch daneben kann meistens nichts tun, nur dasein, aushalten, warten.

Darf ich in einer solch finsteren Situation nicht trotzdem eine Kerze anzünden und bekennen: Ich glaube, der Verstorbene lebt … denn ich glaube an einen Gott der Lebenden, nicht der Toten?

Warum wird heutzutage eine solche Aussage nur noch als leere Worthülse empfunden, und nicht als das einzig mögliche Bollwerk gegen den Tod, das ich überhaupt habe?

Hier geht es wirklich um den Ernstfall des Glaubens. Wir Christinnen und Christen haben nichts anderes als dieses Trotzdem im Angesicht des Todes. Das ist die Botschaft des Ostermorgens: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten … Er ist nicht hier. Er lebt“ (vgl. Lk 24,5-6).

Weil Jesus lebt, ist unser Glaube entstanden, wurde Kirche gegründet, hat sich seine Botschaft über die ganze Welt ausgebreitet.

Weil Jesus lebt, haben wir die Aufgabe uns immer und überall auf die Seite des Lebens zu stellen und für das Leben zu kämpfen, auch für das Leben über den Tod hinaus.

Weil Jesus lebt, gibt es die Sakramente der Kirche, die besonderen Zeichen dafür, dass unser Gott nicht der Gott der Toten, sondern der Lebenden ist.

Weil Jesus lebt, kommen wir Woche für Woche hier zusammen, um miteinander Eucharistie zu feiern und das Geheimnis des Glaubens zu verkünden: „Deine Tod, o Herr, verkünden wir, deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit. Amen.“

Weil Jesus lebt, brauchen wir am Grab nicht zu schweigen, sondern sind sogar verpflichtet, dem Tod das Trotzdem entgegenzuschleudern: Nein, lieber Tod, du bist nicht das Ende, sondern der Anfang, denn unser Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden.

Oder wie der heilige Franz von Sales bekennt: „Ich glaube, dass mein Erlöser lebt und ich … auferstehen werde. … Diese Hoffnung ruht in meinem Herzen“ (DASal 12,193). Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS