58 Jahre segensreiches Wirken
Nach 58 Jahren Seelsorge in der Kirche Franz von Sales (bis 2015 Pfarre Franz von Sales) verabschiedeten sich die Sales-Oblaten am Sonntag, den 13.10.2019 in der Hl. Messe offiziell von der Gemeinde und die Gemeinde von den Sales-Oblaten. Neben vielen Gläubigen aus der Gemeinde und Nachbargemeinden waren auch Vertreter der evangelischen Thomaskirche gekommen, zu der es seit jeher sehr gute nachbarschaftliche Verbindungen gibt. In Dankbarkeit, aber auch in Wehmut wurde der vergangenen gemeinsamen Jahre gedacht. Hauptzelebrant P. Provinzial Thomas Vanek, der nach seinem Theologiestudium sein Pastoraljahr in der Pfarre Franz von Sales absolvierte, dankte der Gemeinde, die sich in all den Jahren auf die verschiedenen Seelsorger mit ihren unterschiedlichen Charakteren und Charismen einließen und mit ihnen zusammenarbeitete. Und er bat um Verzeihung, wo es Verletzungen von Seiten der Seelsorger gab. In persönlichen Rückblicken erzählten Gemeindemitglieder von ihren Erfahrungen und Erlebnissen mit den Sales-Oblaten. Bei den Fürbitten hatten die Gläubigen die Möglichkeit, ihre besondere Bitte oder Dank vor Gott zu bringen. Musikalisch gestaltet wurde die Messe von der Sales-Combo, verstärkt durch Musiker und Sänger aus der Apostelpfarre, der Hauptkirche der Pfarre „Christus am Wienerberg“, zu der die Gemeinde Franz von Sales gehört. Den Ausklang des Festes bildete eine Agape mit vielen Köstlichkeiten.
Br. Hans Leidenmühler OSFS
Predigt von Pater Provinzial Thomas Vanek OSFS
Dieses Evangelium, das wir grade gehört haben, ist das Evangelium des heutigen Sonntages, des 28. Sonntages im Jahreskreis (Lk 17,11-19: Der dankbare Samariter). Ich habe mich zunächst gefragt, ob dieses Evangelium zu diesem Sonntag, an dem wir Oblaten des hl. Franz von Sales Abschied nehmen von der Gemeinde Franz von Sales, auch wirklich passt. Schließlich waren wir 58 Jahre hier an diesem Ort und die vielen Menschen, die hierher in diese Gemeinde kamen, haben hier eine religiöse und selbst wenn sie gar nicht so religiös waren, dann eine allzu menschliche Heimat gefunden. Es war offensichtlich ein wunderbares Zusammenspiel zwischen den Sales-Oblaten und den Menschen, die hier in der Per Albin Hansson – Siedlung wohnten und aufgewachsen sind. Wahrscheinlich ergänzten sich die spirituelle Weltoffenheit, die realistische, gesunde und fundierte Weltfrömmigkeit des Franz von Sales und die religiösen Bedürfnisse und Erwartungen dieser in der Zeit des 2. Vatikanums entstandenen Gemeinde ziemlich gut. Die konkreten Oblaten-Seelsorger, die hier waren, waren sicher aus sehr unterschiedlichem Holz geschnitzt, unterschiedliche Charaktere, aber authentisch, wie es eben Franz von Sales mit seiner Spiritualität auch förderte. „Sei, was du bist, und sei es ganz!“ Auch wenn vielleicht der eine oder andere Charakter eines Oblaten für manche eine Herausforderung war, ich selbst war ja auch ein Jahr hier, so habe ich es persönlich immer bewundert, mit wie viel Offenheit und auch Herzlichkeit jeder von unserer Ordensgemeinschaft aufgenommen wurde, und man bereit war, auch seine Schwächen anzunehmen und in das Gedeihen der Gemeinde zu integrieren, wobei Herzlichkeit für mich keineswegs Süßlichkeit oder übertriebene Freundlichkeit heißt, sondern vielmehr herzliche Geradlinigkeit, Ehrlichkeit und Klarheit. Das hat mich selbst in diesem Jahr hier beeindruckt, wie spürbar es war, dass es dieser damals noch Pfarr-Gemeinde um die Menschen ging, nicht um eine inszenierte Liturgie oder um Formalitäten, sondern um den konkreten Menschen. Ich denke, Franz von Sales ist tatsächlich der richtige Patron für die Art der Seelsorge, die hier in dieser Zeit geschehen ist. Ob dazu wirklich das Evangelium von den zehn Aussätzigen passt, ist fraglich.
Dennoch ist der Anlass zu diesem Abschiedsfest auch mit einem Aussatz zu vergleichen. Erst vorgestern stand es in der Zeitung und auch die ZIB hat davon berichtet, dass die Jugend immer weniger von Religion und Politik hält. Familie ist hoch im Kurs, das Verständnis für Religion geht den Bach runter, weil die Kirche(n) an den Interessen der 16-29 Jährigen vorbeigehen, man viel zu wenig Begegnungszonen mit den jungen Menschen von heute sucht und aufbaut. Es ist der Aussatz des Missbrauches, den die Kirche hat, und der sich auch darin zeigt, dass sich nur sehr wenige Menschen für kirchliche und geistliche Berufe entscheiden.
Das Evangelium aber zeigt es deutlich: Jesus lässt die Aussätzigen genauso wenig wie uns im Regen stehen. Jesus lässt auch diese Gemeinde nicht im Regen stehen. Jesus sieht die ausgesetzten Seiten der Menschen und ermutigt sie, an ihr Gesundwerden zu glauben. Das ist die Aufgabe einer christlichen Gemeinde. Da geht es nicht um eine eingeschworene Gruppe, die sich gegen die Begegnung mit sämtlichen Aussätzigen abschottet, sondern um eine offene und einladende Gemeinde, die sich an jedem freut, der zu ihr findet. Ich habe das in dieser Gemeinde so erlebt und erlebe es bis heute so. Deshalb ist mir nicht bange, wenn sich auch jetzt unser Orden zurückziehen muss, und eine neue Gemeindestruktur sich bilden wird.
Was allerdings aus diesem Evangelium am meisten für diesen Tag des Abschied Feierns passt, ist das Wort „Dankbarkeit“ und das Verhalten des Samariters, der umkehrte und Gott mit lauter Stimme lobte, sich Jesus zu Füßen warf und ihm dankte. Der Samariter kehrte um. Umkehr im Sinne Jesu ist damit gemeint. Nicht das zurückgehen, sondern das veränderte Bewusstsein. Verändert aus der Erfahrung heraus, dass Gott heilt, dass es Gott an jedem Menschen gelegen ist, dass er ein barmherziger und gnädiger Gott ist und kein Marionettenspieler oder gar nur eine unpersönliche Energie. Daher ist für uns Oblaten des hl. Franz von Sales das Wort Dankbarkeit heute angebracht. Dankbarkeit für die 58 Jahre, die wir uns hier um die Seelen der Menschen sorgen durften und konnten. Dankbarkeit lässt uns bewusst werden, dass dieses Apostolat unsere Ordensprovinz bereichert hat… bereichert hat um viele Menschengeschichten, die wir hier erlebt und auch begleiten durften. Von der Taufe an bis zur letzten Ruhe. Nicht nur durch den Namen, den wir dieser Kirche geben durften und die bis heute als einzige Kirche in Wien diesen Namen trägt, ist es uns hoffentlich ein Stück weit gelungen, den großen Seelsorger und Bischof mit seiner Freundlichkeit zu den Menschen, mit seiner Güte und Milde, Geduld und Liebenswürdigkeit, in unserem Wirken hier durch uns Sales-Oblaten kennenzulernen. In der Präfation zum Fest Ihres Kirchenpatrons heißt ja so schön: Im Hl. Franz von Sales hat Jesus Christus seiner Kirche einen Hirten nach seinem Herzen erweckt, damit er durch sein Wort und Beispiel die Frömmigkeit stärke und raue Wege wende in ebene Pfade. So ist er allen alles geworden. Wir alle, die wir hier in dieser Gemeinde gewirkt haben, hinkten diesem Vorbild des Franz von Sales sicher alle ein Stück hinterher, und doch dürfen wir darauf hoffen, dass Gott, das gute Werk, das er hier mit uns begonnen hat, durch die weiteren Jahre begleiten und führen wird und auch einst vollenden wird.
Steh auf und geh! Dein Glaube hat dir geholfen! Sagt Jesus zu dem dankbaren Samariter. Ich hoffe, dass auch Sie als derzeitige Stellvertreter der Gemeinde Franz von Sales für die vergangene Zeit dankbar sein können. Wo Verletzungen durch uns Sales-Oblaten passiert sind, bitte ich um Vergebung. Ihnen wird heute von Jesus gesagt: Steht auf und geht! Steht auf zu einer neuen Ära in dieser Gemeinde und geht in eine Zukunft, in der Sie als Teil der ganzen Kirche zu den Menschen und mit den Menschen gehen, Sie ansprechen und verstehen – gerade dort, wo sie sich heute von der Kirche oft im Regen stehen gelassen fühlen. Auch da kann Ihnen Franz von Sales ein Wegweiser sein. Er scheute sich nicht gerade dorthin zu gehen, wo ihm zunächst der Gegenwind ins Gesicht geblasen hat. Mit seiner Liebenswürdigkeit hat er aber selbst der heftigsten Windbö die Macht genommen. Ich wünsche mir, dass wir trotz dieses Abschiedes in einer salesianischen Verbundenheit bleiben und uns an die gemeinsamen Jahre dankbar und wertschätzend erinnern. Amen