Predigt zum 27. Sonntag im Jahreskreis (Mk 10,2-16)

Ein Versprechen ist ein Versprechen

Der heilige Franz von Sales meinte einmal in einem Brief: „Gott in Süßigkeiten zu lieben,“ – also dann, wenn alles problemlos läuft – „das können auch die kleinen Kinder, ihn aber in der Bitterkeit zu lieben,“ – also dann, wenn’s einmal nicht so gut läuft – „das bringt nur liebeerfüllte Treue zustande“ (DASal 6,207).

Im Leben gibt es eben nicht nur die süßen Stunden, sondern eben auch die bitteren. Und in diesen Stunden heißt es dann umso mehr, treu zu sein und zu dem zu stehen, was man versprochen hat. Das gilt in der Gottesbeziehung genauso wie in der Beziehung zu den Menschen. Dass wir uns damit oft schwertun, darauf macht uns Jesus Christus im eben gehörten Evangelium aufmerksam.

Dass man ein Versprechen halten muss, da stimmen wahrscheinlich die meisten Menschen zu. Und trotzdem passiert es ebenso häufig, dass Versprechungen nicht gehalten werden. Aus einem Versprechen wird dann sehr schnell ein Versprecher – und aus „Ich habe versprochen“ wird ein „Ich habe mich versprochen“. Das, was ich gesagt habe, war eigentlich ganz anders gemeint.

Jesus erinnert uns an das Eheversprechen. „Ich verspreche dir die Treue in guten und bösen Tagen, in Gesundheit und Krankheit, bis der Tod uns scheidet. Ich will dich lieben, achten und ehren alle Tage meines Lebens.“

In diesen Worten kommt deutlich zum Ausdruck, dass es in einem Eheleben nicht nur gute Tage gibt, sondern auch böse, nicht nur Gesundheit, sondern auch Krankheit, nicht nur Süßigkeiten, sondern auch Bitterkeiten. Es steht natürlich niemandem zu, über andere zu urteilen oder gar zu verurteilen – wenn, dann darf das Gott allein. Wir können viel zu wenig hinter die Kulissen der einzelnen Menschen blicken. Trotzdem ist angesichts der erschreckend hohen Scheidungsraten die Frage erlaubt, ob nicht doch allzu leichtfertig mit diesem Versprechen umgegangen wird. Kaum kommen böse Tage … und schon will man von diesem Versprechen nichts mehr wissen. Treue und Vertrauen spielen plötzlich keine Rolle mehr und jeder geht wieder seine eigenen Wege.

Jesus Christus erinnert uns daran, dass ein Versprechen und besonders ein Eheversprechen gilt. Ein Versprechen ist eben ein Versprechen und kein Versprecher. In den Augen Gottes gehört die Ehe zu seinem Schöpfungsplan, dieses Versprechen, das sich zwei Menschen geben, ist damit etwas Heiliges, ein Versprechen vor Gottes Angesicht, dem Gott höchstpersönlich seinen Segen gibt – und was Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen, auch dann nicht, wenn es einmal schwerfällt. Ja, gerade dann, wenn es schwerfällt, ist ja der Zeitpunkt gekommen, sein Versprechen auch wirklich einzuhalten.

Das gilt nicht nur beim Eheversprechen, sondern bei allen Versprechen, die wir geben. Unter anderem auch unseren Versprechen Gott gegenüber.

Der zweite Teil des heutigen Evangeliums wird sehr gerne bei Kindertaufen verwendet. „Lasst die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran.“ Jesus legt den Kindern die Hände auf und segnet sie. Wir werden also heute auch an die Taufe erinnert und an unser Taufversprechen, das wir jedes Jahr an Ostern erneuern. Auch das Taufversprechen verlangt oft genug viel Treue und Vertrauen Gott gegenüber, vor allem in den bösen Tagen, wenn’s uns schlecht geht, wenn wir Zweifel haben, uns Probleme erdrücken und wir meinen, Gott hätte uns total in Stich gelassen – genau da gilt es, sein Vertrauen auf Gott zu erneuern und zu sagen, ich habe dir einmal versprochen, an dich zu glauben und dir die Treue zu halten: Ich halte mich an dieses Versprechen und ich weiß, auch wenn ich es jetzt nicht spüre, dass auch du dich daran hältst, denn du bist der „unbeirrbar treue Gott“ (Dtn 32,4).

Ich habe diese Predigt mit einem Wort des heiligen Franz von Sales begonnen, ich schließe mit einem Wunsch, den er am Ende einer Predigt seinen Zuhörerinnen und Zuhörern sagte. Er meinte: „Wirkt treu in diesem Leben und seid beharrlich bis zum Ende, … um euch [der göttlichen Majestät] zu erfreuen in alle Ewigkeit … Das ist es, was ich euch von ganzem Herzen wünsche.“ (DASal 9,262) Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS