Predigt zur Oblatenwallfahrt 2021

Zum Segen werden

Ex 23, 20-23a / Lk 19,1-10

Ich weiß nicht, sagt man heute noch – sagst du oder sagen Sie heute noch zu einem Menschen: Du bist ein Segen für dieses Haus, oder diese Gemeinschaft, für die Familie oder für die Arbeitsstelle? Oder sagt man heute noch: der/die ist ein Segen für die Schule, ein Segen für die Pfarre, ein Segen für den Kindergarten, ein Segen für die Seelsorge in der Gemeinde, die Schule? Und wenn man es sagt, was meint man eigentlich damit? Ich glaube, man sagt das (leider) nicht zu oft, aber wenn man es sagt, dann meint man damit etwas ganz Großartiges. Lassen wir das uns selbst sagen und fühlen wir nach, was wir dabei empfinden, wenn mir/dir/Ihnen jemand sagt: Du bist ein Segen für uns! Und wenn der/die, der/die das zu mir sagt, dann noch jemand ist, den man besonders mag oder schätzt, dann ist das Gefühl in mir unüberbietbar. Du bist ein Segen!

Du bist ein Segen! Was bedeutet das eigentlich? Gehen wir dieser Redewendung ein wenig nach. Wir sind jetzt durch die Felder, Äcker und Wiesen gegangen. Nehmen wir an, ein Acker ist trocken. Es liegt Saat in ihm, aber er ist trocken. Es wächst nichts, weil er trocken ist. Und dann setzt der Regen ein, die Saat geht auf und gedeiht. Das erleben wir hierzulande gottseidank noch jedes Jahr. Der Regen segnet. D. h. der Regen hilft, dass etwas aufgeht, dass etwas wächst, dass etwas gedeiht. Wenn du also ein Segen bist, dann kann in jemanden etwas aufgehen, wachsen, gedeihen. Ein wunderschöner Gedanke: Werde zum Segen! Werde wie der Regen für das Land. Werde eine/r, die/der das Leben fördert, Wachstum ermöglicht und einem Menschen oder auch einer Aufgabe dadurch zu seinem oder ihrem Sinn verhilft. Wer segnet oder wer zum Segen wird, sagt: es macht Sinn, dass es dich gibt – oder ich gebe einer Aufgabe, einem Tun einen Sinn. Ich helfe dazu, dass etwas wächst und gedeiht.

Ich bin ein Blumen- und Pflanzenfan. Es ist was wunderbares, Blumen und Pflanzen zu gießen, ihnen beim Wachsen zuschauen zu können. Und auch wenn das Gießen mit Arbeit, Verlässlichkeit und Regelmäßigkeit zu tun hat, so ist es eine der wohl sinnvollsten Beschäftigungen, die es gibt, weil es Leben gedeihen und wachsen lässt. Keine Angst, ich will jetzt nicht aus uns allen begeisterte Hobbygärtner oder Pflanzenflüsterer machen, es ist nur ein Bild für alles, was Menschen tun, um das Leben der Menschen, der Natur zu fördern – kurz um, sich einsetzen, damit Leben fruchtbar wird, in welchem Bereich auch immer. Deshalb wird das Wort Segen wohl auch immer mit Gott verbunden, denn er ist doch der Urheber des Lebens und des Wachstums. Denken wir nur an die Schöpfungsgeschichte, mit der alles beginnt. Sie ist ein Geschenk aus Gottes Hand od. besser noch aus Gottes Mund, denn sein Wort erschafft die Welt. Er sprach: es werde! Auch Segen sein oder segnen ist ein Wort, das du aus deinem Leib und deiner Seele zu jemanden sprichst. Und dabei gilt: du selbst kannst das nur sprechen, wenn du selbst ein gesegneter/eine gesegnete bist. D.h. einen Segen kann man nicht erarbeiten und auch nicht kaufen. Einen Segen kann man sich nur schenken lassen. Gesegnet zu sein ist eine Gnade, ein Geschenk.

In den beiden Schriftstellen, die wir vorhin gehört haben, kommt das wunderbar zum Ausdruck: der Bote Gottes, der (Schutz)Engel, geht dir voraus, er schützt dich auf dem Weg, weil Gott dich schützen will. Daher achte auf dieses Geschenk, dass Gott dir einen schützenden Engel schickt. Und riskiere nicht, ihn zu verlieren. Bei der Geschichte von Jesus und dem Zöllner Zachäus kommt das ganz deutlich zum Ausdruck. Jesus wird zum Segen für den kleinen, unsicheren und verängstigten Zöllner, den niemand mag, weil er einen Beruf hat, der nicht besonders gut angeschrieben ist. Halsabschneider, Erpresser und Ausbeuter wurden die Zöllner auch genannt. Für diesen sich im Baum versteckenden Zachäus wird Jesus zum Segen: Komm schnell herunter, Zachäus. Denn ich muss heute in deinem Haus zu Gast sein! Die Geschichte verrät, was dieses Wort mit dem Zachäus machte. Schnell stieg er vom Baum herunter und freudig nahm er Jesus bei sich auf. Also anstelle der Angst tritt die Freude und anstelle des sich Versteckens tritt die Gastfreundschaft. Jesus wird zum Segen für Zachäus. Der kleine Zachäus beginnt zu wachsen! Und der Segen macht bei ihm nicht Halt! Als einer, der gesegnet wurde, wird er selbst zum Segen: Herr, die Hälfte meines Vermögens will ich den Armen geben, und wenn ich von jemanden zu viel gefordert habe, gebe ich ihm das Vierfache zurück. – Besser kann man es nicht ausdrücken, was es heißt, zum Segen werden. Und besser kann man es nicht kommentieren, als wie Jesus sagt: Heute ist diesem Haus das Heil geschenkt worden. Aus Trockenheit wurde Fruchtbarkeit.

Wir tragen auf unserer Wallfahrt das Anliegen um geistliche Berufe mit. Jeder Mensch, der zum Segen wird, ist ein geistlicher Beruf. Jeder Mensch, der sich selbst als gesegnet erfährt, wird zum Segen für andere. Es ist doch was Wunderbares, zum Segen zu werden, d.h. Wachstum zu fördern, Schutz zu sein, Menschen das Gefühl zu geben, sie sind geliebt und geachtet. Sie sind gesegnet. Wer die Berufung, zum Segen zu werden, spürt, weckt die Freude, die Offenheit und Gastfreundschaft in den Menschen wie Jesus sie bei Zachäus geweckt hat. Wer die Berufung spürt, zum Segen zu werden, der/die bringt den Himmel der Erde näher, sodass sich beide berühren. Amen.

P. Provinzial Thomas Vanek OSFS