Predigt zum 27. Sonntag im Jahreskreis (Lk 17,5-10)
Vertrauen und Dankbarkeit
„Herr, stärke unseren Glauben!“ Diese Bitte der Apostel steht am Beginn des heutigen Evangeliums. Um die Reaktion Jesu auf diese Bitte zu verstehen, müssen wir uns eine wenig in die Situation von damals hineinversetzen.
Die Apostel sind schon eine ganze Zeitlang mit Jesus Christus unterwegs. Sie haben Jesus Christus erlebt, seine beeindruckenden Predigten, sein Verhalten gegenüber Armen, Ausgestoßenen und Sündern und vor allem seine großartigen Wunder: Blinde können wieder sehen, Stumme wieder reden, Lahme wieder gehen … ja sogar Tote hat er wieder zum Leben erweckt. Und mit welchem Ergebnis? Die Apostel bitten ihn: „Herr, stärke unseren Glauben“. Jesus wird sich da wahrscheinlich gedacht haben: „Du meine Güte, was um Himmels willen soll ich denn noch tun, damit mir meine engsten Freunde, also die, die mir nachfolgen, die alles, was ich tue und sage, mit eigenen Augen sehen und mit eigenen Ohren hören, endlich glauben.“
So kann man gut verstehen, dass Jesus sagt: „Wäre euer Glaube nur so groß wie ein Senfkorn“ – wäre also euer Glaube nur so groß wie das kleinste damals bekannte Samenkorn – „dann könntet ihr Bäume ausreißen und ins Meer verpflanzen.“
Jesus hält also den Aposteln einen Spiegel vor: Wie groß ist euer Glaube, wenn ihr immer noch nicht glaubt, wenn ihr immer noch kein Vertrauen zu mir und der Wahrheit und Echtheit meiner Botschaft habt? Vertraut mir doch endlich!
Wir wissen, dass es noch lange gedauert hat, bis es in den Köpfen und vor allem in den Herzen der Apostel wirklich Klick gemacht hat: Jesus musste erst gekreuzigt werden und auferstehen und er musste ihnen auch dann noch vierzig Tage lang erscheinen und sie mit dem Feuer des Heiligen Geistes beschenken, bis sie endlich so weit waren, ganz auf Jesus Christus zu vertrauen und seine Botschaft in die Welt zu tragen.
Und noch eine Lehre erteilte Jesus seinen engsten Mitarbeitern: „Werdet nicht überheblich!“ Selbst dann, wenn ihr mir glaubt und vertraut und tut, was ich euch sage, heißt das noch lange nicht, dass ihr besser seid als die anderen. Glaube ist ein Geschenk, keine Leistung. Wenn ihr also alles getan habt, sollt ihr bescheiden bleiben und sagen: Wir haben nur unsere Schuldigkeit getan. Seid also nicht überheblich, sondern einfach nur dankbar, dass ihr das Geschenk des Glaubens bekommen und angenommen habt.
Was können wir heute daraus lernen, für unseren Glauben, für unser Christsein, für unsere Nachfolge Jesu? Es ist eigentlich das, was auch der heilige Franz von Sales den Menschen seiner Zeit beibringen wollte:
Die Bitte „Herr, stärke unseren Glauben“ gehört zu den Grundbitten einer jeden Christin, eines jeden Christen. Hand aufs Herz: Wann habe ich das letzte Mal Jesus darum gebeten, dass er meinen Glauben stärken möge?
Das Zweite wäre dann die Tugend des Gottvertrauens. Vieles von dem, was in der Welt und in unserem Leben geschieht, können wir nicht verstehen, aber, so sagt Franz von Sales, „wir können immer vertrauen“. Wir Menschen vertrauen ständig, wir vertrauen der Technik, den Mitmenschen, uns selbst … warum fällt es uns so schwer, dem allmächtigen Gott dasselbe Vertrauen entgegenzubringen. Gott wünscht sich von uns eigentlich nichts anderes, als dass wir ihm vertrauen, so wie das neugeborene Kind der Mutter vertraut. „Vater, in deine Hände empfehle ich meinen Geist“, so sollte unser Gebet am Ende eines jeden Tages lauten: „Gott, egal, was heute passiert ist, ich vertraue dir.“
Und das dritte, das wir lernen können, ist die Dankbarkeit. Auch wenn wir die besten und heiligsten Christen wären, so wären wir es nicht ohne die Hilfe Gottes. Dankbarkeit gegenüber Gott ist also eine Grundtugend für jeden Christen. Seid dankbar, dass ihr glauben, dass ihr immer wieder diese gute und lebensfrohe Botschaft hören könnt, die Jesus Christus der Welt gebracht hat. Seid dankbar, dass ihr die Gnade habt, Glauben zu dürfen.
So könnte also unser tägliches Gebet lauten, das wir nach dem heutigen Evangelium an Gott richten könnten: „Herr, stärke meinen Glauben … ich lege mein Leben und das Leben dieser Welt in deine Hände, weil ich dir vertraue, dass dort alles am besten aufgehoben ist, und ich danke dir für all das, was du mir in meinem Leben jeden Tag schenkst, ich danke dir, dass ich an dich und deine Botschaft glauben darf.“ Amen.
P. Herbert Winklehner OSFS