Predigt zum 26. Sonntag im Jahreskreis (Mt 21,28-32)

Ja oder Nein

Dieses Gleichnis von den beiden Söhnen des Weinbergbesitzers erzählt Jesus nicht allen Menschen, sondern nur den Ältesten und Hohepriestern. Das heißt, zunächst bin damit also ich angesprochen, der Priester, der Theologe.

So habe ich mich dann auch gefragt, ob ich eher der Ja-Sager-Sohn bin oder der Nein-Sager. Und ich glaube, dass ich eigentlich eher der Nein-Sager bin, also der, der zunächst einmal abwehrend oder skeptisch reagiert, wenn es darum geht, den Willen Gottes zu erfüllen, der aber letztlich dann doch meistens tut, was verlangt wird.

Bei meinen Überlegungen ist mir allerdings auch bewusst geworden, dass es ganz wichtig ist, immer mit Gott in Kontakt zu sein, also zu beten, die Heilige Messe zu feiern, das Wort Gottes zu betrachten. Denn es ist ja gar nicht so einfach, immer klar herauszufinden, was Gott wirklich will. Nur im ständigen Kontakt mit Gott ist es möglich, dass das passiert, was das Schlüsselwort des heutigen Gleichnisses darstellt: Reue und Umkehr. „Es reute ihn und er ging hinaus“, um im Weinberg zu arbeiten.

Was lernen wir nun alle miteinander aus diesem Gleichnis? Natürlich sollten ja nicht nur die Priester und Theologen, sondern alle den Willen Gottes erfüllen. So beten wir es ja alle miteinander im Vaterunser: „Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.“

Zunächst einmal lernen wir, dass es gar nicht so leicht ist, immer genau zu wissen, was Gott nun will oder nicht will. „Die Beweggründe der göttlichen Vorsehung wären sehr armselig, würden wir kleinen Geister sie einsehen“, meinte einmal der heilige Franz von Sales (DASal 3,225). In solchen Situationen ist es sehr wichtig, mit Gott in Verbindung zu bleiben, um herauszufinden, was er wirklich will. Diesen Prozess des Nachdenkens nennen wir in der christlichen Spiritualität die „Unterscheidung der Geister“. Sehr hilfreich dabei ist, wenn ich nicht alleine nachdenke, sondern die Frage, was Gott jetzt genau will, mit jemand anderem bespreche.

Wenn es mir klar geworden ist, was Gott von mir will, dann sollte ich diesen Willen auch wirklich tun. Also nicht nur Ja sagen und trotzdem weitermachen wie bisher, sondern wirklich in der Praxis umsetzen, was ich in der Theorie erkannt habe. „Viel tun macht vollkommen, nicht aber viel wissen“ (DASal 2,125), sagt daher auch Franz von Sales.

Sich dem Willen Gottes vorbehaltlos anzuvertrauen und tun, was Gott will, selbst wenn ich diesen Willen nicht verstehe, ist für den heiligen Franz von Sales etwas Befreiendes, also, etwas, was den Menschen nicht knechtet, sondern im Gegenteil, wirklich frei macht: „Unser freier Wille ist nie so frei, als wenn er ein Sklave des Willens Gottes ist.“ (DASal 4,312)

Das Bekenntnis des Glaubens allein reicht nicht aus, der Glaube muss auch gelebt werden. Und das ist eine tägliche und lebenslange Herausforderung. Sollte ich heute zum Ergebnis komme, dass ich im konkreten Leben Nein gesagt habe, dann kann ich trotzdem morgen wieder anfangen, bereuen und hinausgehen ins Leben und tun, was Gott will.

Schlimm wird das Ganze nur, wenn ich trotz meiner Erkenntnisse völlig anders handle, wenn ich also sehe und trotzdem nicht glaube. Im Gleichnis von den beiden Söhnen ist das sogar den Ältesten und Hohenpriestern klar geworden. Auf die Frage Jesu: „Wer von den beiden hat den Willen seines Vaters erfüllt?“ antworten sie eindeutig: Der erste. Also der, der obwohl er zuerst Nein sagte, dann trotzdem in den Weinberg zur Arbeit ging und damit tat, was sein Vater wollte. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS