Predigt zum 23. Sonntag im Jahreskreis (Lk 14,25-33)

Was ist mir mein Glaube wert?

Was ist mir mein Glaube wert? Das heutige Evangelium lädt uns ein, darüber wieder einmal intensiver nachzudenken:

„Wenn jemand nicht sein Leben gering achtet,“ so sagt Jesus, wie wir gerade gehört haben, „kann er nicht mein Jünger sein … wenn jemand nicht sein Kreuz trägt, kann er nicht mein Jünger sein … wenn jemand nicht auf seinen Besitz verzichtet, kann er nicht mein Jünger sein.“

Diese Beispiele, die Jesus bringt, lenken unseren Blick auf Dinge, die für uns Menschen normalerweise eine ganz zentrale Bedeutung haben: auf die Familie, auf Macht und Ansehen und auf den Besitz. Und Jesus fragt: Welchen Stellenwert hat in all dem dein Glaube?

Ich war vor einer Woche im neuen Stadion in Hütteldorf beim Fußballspiel Rapid gegen Salzburg. Über 25.000 Menschen leisten sich diese neunzig Minuten unter brütender Hitze, klatschen, schreien, jubeln – obwohl ihre Mannschaft an diesem Tag eher müde und ausgelaugt wirkt. Aber der berühmte Rapidgeist lässt sich davon nicht unterkriegen. Auf digitalen Anzeigen lese ich die Sätze: Rapid ist mein Leben … Für Rapid gebe ich mein Letztes … Mit Rapid gehe ich durch alle Höhen und Tiefen … Rapid ist meine Heimat, mein Zuhause, meine Religion … gemeinsam.kämpfen.siegen.

Was ist diesen Menschen ihr Fußballverein wert? Auf wie viel Familie, wie viel Macht und Ansehen, wie viel Besitz sind sie bereit zu verzichten? Ich weiß es nicht, allerdings war ich beeindruckt von der Begeisterung, dem Stolz und der Hingabe, die dort im Stadion verbreitet wurde.

Und nun frage ich mich: Was ist mir Jesus Christus wert? Würde ich für Jesus Christus alles liegen und stehen lassen, durch alle Höhen und Tiefen gehen? Würde ich jede Anstrengung auf mich nehmen, um bei ihm zu sein? Würde ich bereit sein, das, was ich besitze aufzugeben, um ihm nahe zu sein? Würde ich in aller Öffentlichkeit, in der Straßenbahn oder U-Bahn mit Fahne, Schal und Trikot verkünden: Christus ist mein Leben, meine Heimat, mein Zuhause, mein Alles – gemeinsam.kämpfen.siegen?

Nein, das würde ich nicht tun – und ich mache es auch nicht. Meine Glaube, meine Begeisterung, ist eindeutig zu schwach dafür. Mir geht’s eher wie dem Petrus, der zwar manchmal eine große Klappe hat, aber kneift, wenn‘s wirklich drauf ankommt. Werden meine persönlichen Interessen durchkreuzt, wird Jesus Christus auf die Seite geschoben.

Zeit ist ein untrüglicher Faktor für Wertschätzung. Wie viel Zeit bin ich bereit, Jesus Christus pro Tag zu schenken? Eine Stunde, eine halbe Stunde, zehn Minuten? Was mir wichtig ist, dafür habe ich auch Zeit – wie viel Wert ist mir mein Glaube an Jesus Christus? Wie viel bin ich bereit für ihn zu investieren?

Der heilige Franz von Sales hat in seiner Theologie einen sehr interessanten und überlegenswerten Ansatz. Er meint: Gott befiehlt uns Menschen nicht deshalb, ihn aus ganzem Herzen, mit all unseren Kräften und mit ganzer Seele zu lieben, damit wir dadurch seine Macht und Herrlichkeit vergrößern. Das können wir gar nicht, denn Gott ist und bleibt immer der unbegreiflich große und allmächtige Gott, egal wie sehr oder wie wenig wir ihn lieben. Gott befiehlt uns, ihn zu lieben, weil es für uns Menschen das Beste ist, was uns passieren kann. Weil es mir und meiner Entwicklung gut tut, deshalb will Gott, dass ich ihn liebe. Er will es nicht nur, er erlaubt es mir nicht nur, sondern er befiehlt es mir sogar:

„Es liegt nicht im Interesse Gottes, dass wir ihn lieben“, so schreibt Franz von Sales wörtlich, „sondern in unserem. Unsere Liebe bringt ihm keinen Nutzen, uns aber ist sie von großem Vorteil … Aus Liebe zu uns will Gott, dass wir ihn lieben“ (DASal 4,203).

Was ist mir mein Glaube wert? Franz von Sales war ein begeisterter Anhänger der Gottesliebe und daher konnte er auch so beten, wie ich es mir manchmal wünschte:

„Herr, ich bin dein“, so lautet eines seiner Gebete, „und ich soll nur dir gehören. Meine Seele ist dein und soll nur durch dich leben. Mein Wille ist dein und soll nur für dich lieben. Meine Liebe ist dein und soll nur nach dir streben. Ich muss dich lieben als meinen ersten Ursprung, denn von dir komme ich. Ich muss dich lieben als mein Ziel und meine Ruhe, denn für dich bin ich da. Ich muss dich lieben mehr als mein eigenes Sein, denn dieses besteht nur durch dich. Ich muss dich lieben mehr als mich selbst, weil ich ganz dir gehöre und in dir bin“ (DASal 4,197). Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS