P. Raphael Rauscher OSFS

Predigt beim Requiem von Bruder Raphael Rauscher (Kol 1, 3-13; Mt 25, 13b-29)

Ein bescheidener, ein stiller und sehr tiefgehender Ordensbruder

Ordensleute müssen nicht immer Alpha-Typen sein. Ich meine, Ordensleute müssen nicht immer Spektakuläres inszenieren oder durch besondere Aktivitäten auffallen, sodass jeder von ihnen spricht oder die Medien von ihnen berichten. Es gibt auch die stillen, die bescheidenen, die ruhigen und die unauffälligen Ordensleute, die nicht in der ersten Reihe stehen und vorpreschen, wo immer das auch geht, … die vielmehr im Hintergrund der Missionsidee eines Ordens stehen. Diese Ordensleute sind aber deshalb nicht weniger Ordensleute und auch nicht weniger radikal im Sinne des Evangeliums. Wer nämlich Jesus radikal, also mit seiner ganzen Existenz, nachfolgen will, der muss nicht unbedingt Lärm machen und muss nicht unbedingt ein Marktschreier sein, sondern der kann das in aller Bescheidenheit und Einfachheit, in aller Zurückgezogenheit und vor allem in aller Treue sein. Radikalität im Sinn des Evangeliums ist die Radikalität, die in der Liebe zu finden ist, nicht im Terror und nicht in der Angstmache. Und wer Jesus nachfolgt – radikal nachfolgt, der lässt sich auf eine Radikalität ein, die voll ist von der Botschaft eines den Menschen in Liebe begegnenden Gottes.

Unser Br. Raphael, der uns am vergangenen Samstag doch sehr unerwartet in seiner menschlich fassbaren und berührbaren Gestalt verlassen hat, war kein Alpha-Typ und doch ein radikaler Ordensmann. Er war es deshalb, weil er ein bescheidener, ein stiller und sehr tiefgehender Ordensbruder war. Er war ein Diener durch und durch, der sich nicht in den Vordergrund spielte, sondern der – wie im gehörten Gleichnis – das ihm anvertraute Gut in Redlichkeit, in Fleiß und Tüchtigkeit eingesetzt und verwaltet und – wenn möglich – auch vermehrt hat. Deshalb dürfen wir heute fest daran glauben, dass der Herr ihm zuruft: Sehr gut, du bist ein tüchtiger und treuer Diener, weil du im Kleinen ein treuer Verwalter warst … Komm jetzt und nimm teil an der Freude deines Herrn. Dabei ging es bei Br. Raphael nicht darum, was er zu tun hatte, welche Tätigkeit er gerade ausführte, ob mit dem Kochlöffel in der Hand, oder mit einem Werkzeug in Haus, Garten und Wald unterwegs. Ich war mit ihm ein paar Wochen zusammen im Tillyheim und ein Jahr lang zusammen in Dachsberg. Da konnte ich ihn in seinen besten Jahren erleben. Und ich erinnere mich, wie er seine Arbeit in der Küche des Tillyheims in einer Selbstverständlichkeit und mit einer inneren Ruhe verrichtete … jeden Tag, ob Werktag oder Sonn- und Feiertag. Und genauso erinnere ich mich an ihn, als er in Dachsberg auf dem Traktor (Bulldog) saß und beim Transportieren von Geäst und anderem Baumschnitt Lieder vor sich hersang und darin mit dem Motorengeräusch fast wetteiferte. Dabei konnte man mitten im Sommer schon auch einmal das „Stille Nach-Heilige Nacht“ vom Traktor aus hören. Es war ein tiefe Fröhlichkeit in ihm, die nicht aufdringlich war, der Grundausdruck seines Gesichtes war ein Lächeln und war Freundlichkeit. Das war aber keine Einfältigkeit, denn Br. Raphael war ein sehr interessierter, ein denkender und reflektierender Mensch. Und er war ein mitteilender Mensch – aber mit dem richtigen Gespür, wann er wem was mitteilen wollte und es auch tat. Komm, nimm teil an der Freude deines Herrn. Wenn auch das Gleichnis, das Jesus erzählt, sehr nachdenklich endet, so liegt die Kernbotschaft darin: Angst, Misstrauen und Bequemlichkeit sind nie gute Ratgeber im Leben. Aus allem, was dir entgegenkommt, kannst du mit deinen Möglichkeiten genauso wie mit deinen Grenzen etwas machen. Du kannst dich ihm stellen, es annehmen als das, worum Gott dich gerade in diesem Moment als Beitrag zu seinem Wirken in dieser Welt bittet. Dadurch bist du immer mit Gott auf einer Wellenlänge, weil du horchst und achtsam bist, weil du dich nicht nur um deine eigenen Interessen und Initiativen drehst, sondern ein Sensorium entwickelst, das dich umsichtig, sensibel und zuvorkommend werden lässt. Man kann es auch bezeichnen: Mit dem Herzen horchen – das bewirkt, dass wir uns die Dinge zu Herzen nehmen. Und wer das tut, der wird Sinn finden, denn das Herz ist das Organ für den Sinn im Leben. Das ist der Kern der salesianischen Spiritualität, die unseren Br. Raphael in seiner Ausbildungszeit bei uns Sales-Oblaten geprägt und geformt hat, weil sie in seiner Persönlichkeitsstruktur offensichtlich eine Resonanz gefunden hatte. Und da der Mensch mit seiner Individuation (Selbstwerdung nach C.G. Jung) nie fertig ist, war auch Br. Raphael bis zuletzt im Werden seiner Ganzheit. Da waren es grade noch die letzten Jahre, die er hier im Salesianum verbracht hat, die ihm, wie ich das beobachten konnte, noch einmal mehr zu dieser liebenswürdigen Persönlichkeit heranreifen ließen, auch durch Menschen, die ihn besonders mochten und die er besonders schätzte. Solche Menschen waren für ihn besonders wichtig, weil sie ihm, dem Heimatvertriebenen, eine Heimat waren, in der er sich besonders wohl fühlen konnte.

Nun liegt im Himmel die Erfüllung der Hoffnung unseres Br. Raphael bereit, so wie der hl. Paulus es schreibt. Und wir, die wir heute darum beten, dass Br. Raphael diese Erfüllung genießen möge, danken Gott dafür, dass wir ihn erleben durften, dass wir teilhaben durften an seiner Berufung durch das wahre Wort des Evangeliums. Wir danken Gott für unseren Br. Raphael, dessen Leben in unserer Mitte und in unserer Ordensgemeinschaft Frucht gebracht hat und noch immer Frucht trägt, weil über sein irdisches Leben hinaus das wahre Wort, an dem er den Ruf der göttlichen Gnade vernommen hat und in Wahrheit erkannt hat, immer noch wächst und Frucht bringt in allen, die bereit sind, Diener Christi zu sein und die Liebe zu leben, die der Geist in ihnen bewirkt. Amen

P. Thomas Vanek OSFS, 9.9.2016, Salesianum Rosental, Eichstätt