Predigt zum 19. Sonntag im Jahreskreis (Mt 14,22-33)

Mensch, hast du es gut!

eine kleine Geschichte zum Nachdenken: Diese Geschichte ereignete sich tatsächlich, und zwar vor einigen Jahren auf dem Hauptbahnhof von München. Dort wartete ein Priester auf die Ankunft eines Zuges. Er sollte einen Mitbruder abholen, den er zuvor noch nie gesehen hatte. Deshalb trug er auch sein Kolarhemd, damit er gleich als Priester erkennbar war.

Als er nun so dastand und wartete, wankte ein offensichtlich betrunkener Mann auf ihn zu, starrte ihn ein paar Sekunden lang an und fragte dann gerade heraus: „Glaubst du an Gott?“

Auf diese Frage war der Priester nicht gefasst. So wusste er spontan gar nicht, was er sagen sollte. Aber dann antwortete er doch: „Ja! Ja – Ich glaube an Gott“.

Gleichzeitig machte er sich auf eine weitere Diskussion gefasst, auf eine spöttische Bemerkung, auf Kritik. Aber nichts dergleichen geschah. Der Betrunkene meinte nur: „Mensch, hast du es gut!“ Dann drehte er sich um und ging wieder weg.

Mensch, hast du es gut, dass du an Gott glauben kannst. Diese Geschichte vom Münchner Hauptbahnhof macht mich darauf aufmerksam, dass Glaube nichts Selbstverständliches ist, sondern ein Geschenk, fromm ausgedrückt: eine Gnade. Und das ist uns vielleicht gar nicht immer so klar und deutlich bewusst. Ist es uns überhaupt schon einmal in den Sinn gekommen, so wie der heilige Franz von Sales mit gleicher Freude und Begeisterung auszurufen: „O wie wunderbar ist doch das heilige Licht des Glaubens!“ (DASal 3,186)?

Das Evangelium von heute – Jesu Gang auf dem Wasser – führt uns jedenfalls den Wert und das Geschenk des Glaubens vor Augen. Die Jünger haben Angst, sie erschrecken, haben Gegenwind, ihr Boot wird von den Wellen hin und hergeworfen. Da kommt Jesus zu ihnen und sagt: „Habt keine Angst, fürchtet euch nicht, habt Vertrauen, ich bin es.“ Ich gebe euch Halt in den Stürmen des Lebens, ich schaffe euch Boden unter den Füßen, ich lasse euch nicht untergehen.

Es ist ein wunderbares Gefühl, wenn ich im Leben jemanden habe, dem ich Vertrauen kann, der mir Halt gibt, auf den ich bauen kann, der mir Sicherheit vermittelt, mich nicht untergehen lässt, und mich beschützt, wenn mir der Wind ins Gesicht bläst. Genau das möchte Jesus seinen Jünger, und damit auch uns, deutlich machen. Und genau das – diesen Halt, diese Sicherheit, dieses Vertrauen, schenkt uns unser Glaube.

Wir dürfen darauf vertrauen, dass wir nicht untergehen … selbst, wenn uns das Wasser bis zu Hals steht. Jesus reicht uns seine Hand, wie er sie Petrus hingehalten hat. Glaube trägt und gibt Halt.

Der heilige Franz von Sales hat das einmal sehr schön folgendermaßen beschrieben: Der Glaube „lehrt euch, dass Gott euer ‚allmächtiger Vater‘ ist. Haltet ihn bei der Hand und seid nicht ängstlich, denn er wird euch retten … Seht ihr nicht, wie der heilige Petrus im See zu versinken glaubte? … Sobald er sich zu fürchten und gleichzeitig zu sinken begann, rief er: Herr, rette mich. Und sogleich streckte sein guter Meister die Hand nach ihm aus und bewahrte ihn dadurch vor dem Ertrinken (Mt 14,29-31). Machen wir es ebenso, meine Lieben. Wenn wir fühlen, dass uns der Mut mangelt …, dann rufen wir voll Vertrauen laut: Herr rette mich, und zweifeln wir nicht, dass Gott uns stärken und vor dem Untergang bewahren wird“ (DASal 12,331).

Mensch, hast du es gut, dass du Glauben kannst. Mensch hast du es gut, dass es für dich eine Hoffnung gibt, die stärker ist als jeder Gegenwind. Mensch, hast du es gut, dass du Halt findest in den Stürmen des Lebens, dass du aufgehoben bist in der Geborgenheit Gottes. Diese Gewissheit schenkt uns unser Glaube. Daran sollten wir uns eigentlich immer wieder einmal erinnern und Gott dafür Danke sagen. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS