Predigt zum 19. Sonntag im Jahreskreis (Lk 12,32-40)

In der Stunde unseres Todes

„Fürchte dich nicht, du kleine Herde“. Dazu ermutigt uns Jesus am Beginn des heutigen Abschnittes aus dem Lukasevangelium. Was er damals zur kleinen Schar der ersten Jüngerinnen und Jünger sagte, das gilt immer noch. Auch wenn die Zahl der Christinnen und Christen in unseren Gegenden immer kleiner wird: fürchtet euch nicht, vertraut!

So rät uns auch der heilige Franz von Sales: „Gehen Sie immer Ihren Weg in diesem Vertrauen [auf Gott]; … Haben Sie keine Furcht.“ (DASal 7,207).

Das Entscheidende ist also das Gottvertrauen – und davon spricht Jesus auch in den folgenden Sätzen. Worauf vertraust du? Auf den Besitz, auf den Geldbeutel? Das bringt nichts … die werden alle irgendwann von den Motten zerfressen. Setzt euer Vertrauen auf Gott allein – auf den Schatz im Himmel, wo kein Dieb ihn findet und keine Motte ihn frisst.

Worauf ich mein Vertrauen setze, das sagt mir mein Herz – „denn wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz“.

Fragen wir also unser Herz, wo es sich hingezogen fühlt. Wonach sehne ich mich? Sind es irdische Güter, oder ist es der Schatz, der im Himmel auf mich wartet?

Wir dürfen uns sehr wohl an den irdischen Gütern erfreuen, es sollte uns dabei allerdings immer bewusst sein, dass diese nur vergänglich sind. Der Blick in die Ewigkeit sollte uns dadurch nicht verstellt werden.

Zur Zeit des heiligen Franz von Sales vor vierhundert Jahren war fast allen Menschen klar, dass dieses Leben hier auf Erden nur von kurzer Dauer ist. Es gab Pest und Seuchen, Kriege, Armut und Hunger. Die durchschnittliche Lebenserwartung eines Menschen lag bei etwa 35 Jahren. Die Bereitschaft, sich auf den Tag seines Todes vorzubereiten, also wachsam zu sein auf die Stunde, da der Herr kommt, war also damals ungleich höher als heute. Kaum jemand denkt heute ans Sterben, denn er hat ja noch Zeit, so denkt er, es gibt ja immer mehr die hundert Jahre alt werden, warum nicht auch ich.

In einer Beerdigungsansprache lobt der heilige Franz von Sales den Verstorbenen, der im Alter von 44 Jahren starb, weil sich dieser gut, das heißt täglich, auf seinen Tod vorbereitet hat. Und dann ermahnt er seine Zuhörerinnen und Zuhörer: „Es ist wahrhaftig eine allzu unnatürliche Täuschung, absichtlich diesen Übergang [also den Tod] zu vergessen, weil die Natur keinen von seiner Notwendigkeit ausnimmt. Deshalb richtet der kluge Mensch jeden Tag so ein, als wäre er der letzte seines Lebens“ (DASal 12,273).

Jesus empfiehlt uns: „Seid wie Menschen, die auf den Herrn warten.“ „Selig die Knechte, die der Herr wach findet, wenn er kommt!“ „Haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet.“

All diese Aussagen machen uns deutlich: Den Tod in seine tägliche Lebensgestaltung einzuplanen, ist kein Zeichen von Lebensmüdigkeit oder Lebensüberdruss. Ganz im Gegenteil: es ist ein Zeichen von Wachsamkeit und ein Zeichen dafür, dass man vor der Realität des Lebens nicht die Augen verschließt und sich bewusst ist, dass irgendwann der Zeitpunkt kommt, indem es nur noch auf die Schätze ankommt, die ich für den Himmel gesammelt habe.

Vielleicht sollten wir unsere Sterblichkeit wieder mehr in unsere täglichen Gebete miteinbauen, um diese Wachsamkeit und dieses Bereitsein auf das Kommen Gottes in uns zu stärken. Das Gegrüßet seist du Maria erinnert uns daran: „Heilige Maria Mutter Gottes, bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes.“ Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS