Predigt zum 19. Sonntag im Jahreskreis (Joh 6,41-51)
Die Einfachheit des Glaubens
Es ist schon interessant, dass jene Menschen, die Jesus kannten und erlebten, die seine Zeichen und Wunder, seine Heilungen und tröstenden Worte konkret und hautnah sehen und hören konnten, dass diese Menschen nicht zum Glauben kamen, sondern zu murren beginnen, wie wir gerade gehört haben. Ja manche Zuhörerinnen und Zuhörer begannen sogar darüber nachzudenken, wie sie Jesus töten können.
Warum ist das so? Ist es Neid? Vergönnt man einem einfachen Mann aus der Nachbarschaft, einem Zimmermann keinen Erfolg? Oder ist es die simple Radikalität seiner Lehre, die so ganz einfach und damit so ganz anders ist, als man es bisher gehört hat?
Jesus verkündet doch keine abstoßenden Themen und Werte, sondern er geht auf die Hoffnungen, Sehnsüchte, Wünsche und Nöte der Menschen ein. Er sagt: „Wer glaubt, hat das Ewige Leben. Ich bin das Brot des Lebens. Wenn jemand davon isst, dann wird er nicht sterben.“ Und er sagt das sogar zweimal: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben.“
Das sind doch hoffnungsvolle Worte, die den Zuhörerinnen und Zuhörern eigentlich nur Freude bringen sollten. Diese aber murren: „Was will denn dieser Jesus, der Sohn Josefs, den kennen wir doch, ein einfacher Zimmermann!“
Es kann tatsächlich sein, dass es gerade die Einfachheit und Bodenständigkeit ist, die Jesus Christus in den Augen der Menschen bis heute unglaubhaft erscheinen lässt. Da ist eben nichts von übergroßer Macht und Herrlichkeit, da gibt es keinen großen mystischen wunderbaren Strahlenkranz und keine besonders ausgeklügelten, kunstreichen Worte. Jesus erscheint als einfacher Mensch, der jahrelang nichts anderes tat als Holz zu sägen und zu hobeln, und nun geht er in die Welt hinaus und spricht ganz einfach davon, dass er Brot ist, das ewiges Leben verspricht.
Wahrscheinlich ist diese Botschaft so einfach, dass man darauf mit völligem Unverständnis reagierte. Was so einfach ist, kann doch keine göttliche Wahrheit sein, das muss doch Gotteslästerung sein. Dennoch ist es so – bis heute. Wir Christen haben es tatsächlich mit einer sehr einfachen Wahrheit zu tun.
Fragt man uns Christinnen und Christen, wo Gott ist, so brauchen wir eigentlich nur auf ein Stück Brot und einen Becher Wein zeigen und sagen: Das ist Gott. Das ist ein außerordentlich nüchterner Glaube: Es geht um Hunger und um Essen. Um unser Leben und um das, wovon wir leben.
Jesus Christus sprach also so einfach, dass sich die Leute um ihn herum nur kopfschüttelnd fragten: Was soll denn das, was will denn der? An seiner Botschaft ändert das jedoch nichts. Sie bleibt so einfach, wie er es sagte: „Ich bin das Brot des Lebens. Wenn jemand davon isst, dann wird er nicht sterben.“
Der heilige Franz von Sales schrieb einmal: „Ich liebe die Einfachheit, im Tode und im Leben“ (DASal 5,160). Er war überzeugt: Alles was kompliziert ist, muss man mit Vorsicht betrachten. Das gilt im Leben genauso wie im Glauben. Das Einfache und Bodenständige entspricht eben bei weitem mehr der Botschaft Jesu. Und daher ist das Einfache dem Komplizierten stets vorzuziehen.
Jesus erinnert uns im heutigen Evangelium auch daran, dass wir alle Schülerinnen und Schüler Gottes sind. Wir sind also weiterhin Lernende im Glauben. Auch diese Haltung hat mit Einfachheit zu tun. Es geht darum, nicht über alles immer nachzugrübeln und zu fragen, kann das denn stimmen, ist das denn wirklich so, sondern Jesus einfach zu vertrauen, dass er die Wahrheit sagt: „Ich bin das Brot des Lebens. Wer mich isst, wird nicht sterben.“ Amen.
P. Herbert Winklehner OSFS