Predigt zum 17. Sonntag im Jahreskreis (Joh 6,1-15)

Alles, was ich habe …

Das Wunder von der Brotvermehrung ist tatsächlich faszinierend. Quasi aus dem Nichts heraus stillt Jesus den Hunger von Tausenden.

Das muss die Menschen damals wirklich schwer beeindruckt haben, denn nach diesem Ereignis wollten sie Jesus „in ihre Gewalt bringen und zu ihrem König machen“. Und über dieses Brotwunder wird auch von allen vier Evangelisten berichtet.

Auch theologisch hat dieses Ereignis großes Gewicht. Im Alten Testament, während der Wüstenwanderung des Gottesvolkes aus der Sklaverei Ägyptens in das gelobte Land, war es Gott selbst, der das Volk mit Manna vor dem Verhungern rettete. Nun setzt Jesus Christus ein besonderes Zeichen, indem er mit fünf Gerstenbroten und zwei Fischen tausende Menschen satt macht – und: Es bleiben sogar noch zwölf Körbe übrigen. Diese Zahl zwölf erinnert an die zwölf Stämme Israels und verdeutlicht damit: Jesus Christus ist das neue Manna, das Brot des Himmels, dass gekommen ist, um den Hunger seines Volkes zu stillen, und zwar mit dem Leben in Fülle – überreich und verschwenderisch.

Seither spielt das Brot im christlichen Glauben eine ganz wichtige Rolle. In den Gaben von Brot und Wein wird Jesus Christus mitten unter uns gegenwärtig. Er verschenkt sich uns bei jeder Heiligen Messe als Brot des Lebens.

Wir können also die Bedeutung dieses Wunders der Brotvermehrung für unseren Glauben gar nicht hoch genug einschätzen. Was wir allerdings beim Hören dieses Brotwunders nicht überhören sollten, das ist der „kleine Junge“, der Jesus seine fünf Gerstenbrote und zwei Fische zur Verfügung stellt. Auch dieser kleine Junge ist ein wichtiges Element für die Bedeutung dieser Stelle aus dem Johannesevangelium. Dieser „kleine Junge“ macht uns nämlich inmitten dieses wunderbaren Geschehens auf unsere eigene Rolle in der Beziehung zwischen Gott und den Menschen aufmerksam. Er zeigt uns nämlich, welchen Beitrag sich Gott von uns wünscht.

Ich kann mir vorstellen, dass wir sehr oft Gott gegenüber so reagieren, wie der Apostel Andreas: „Hier ist ein kleiner Junge, der hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische; doch was ist das für so viele?“ Also: Was kann ich denn schon tun? Welchen Beitrag kann ich schon leisten, um am Werk Gottes in dieser Welt mitzuwirken? Ich habe doch dafür viel zu wenig zu bieten. Gott aber denkt nicht so. Das macht uns eben das Beispiel des kleinen Jungen bei dieser wunderbaren, unbeschreiblich großartigen Speisung der Tausenden deutlich. Gott kommt es überhaupt nicht darauf an, wie großartig und wunderbar wir sind, sondern darauf, dass wir das, was wir sind, ihm voll und ganz zur Verfügung stellen. Genau darum geht es im Leben und Handeln der Christinnen und Christen, die Jesus nachfolgen wollen.

So formuliert es auch der heilige Franz von Sales: „Kannst du deinem göttlichen Bräutigam nicht saftige Früchte anbieten, so gib ihm gedörrte; ihm gelten sie ebenso viel, wenn nur das Herz, das sie darbringt, völlig entschlossen ist, ihn zu lieben“ (DASal 1,238).

Stellen wir also Gott das, was wir sind und haben, unsere Fähigkeiten, Talente, Begabungen, so klein sie in unseren Augen auch sein mögen, aus ganzem Herzen zur Verfügung und vertrauen wir darauf, dass Gott mit dem wenigen, das wir zu bieten haben, wirklich Wunderbares und Großartiges vollbringen kann. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS