Predigt zum 13. Sonntag im Jahreskreis (Mk 5,21-24; 35b-43)
Sei ohne Furcht, glaube nur!
diese durchaus dramatische Geschichte um den Tod der Tochter des Jaïrus ist geprägt von zwei kurzen, jedoch sehr wesentlichen Aussagen Jesu. Die eine lautet: „Sei ohne Furcht; glaube nur!“ Und die zweite: „Talita kum – ich sage dir, steh auf!“
Es ist die Geschichte, die uns mit einer völlig ausweglosen Situation konfrontiert. „Meine Tochter liegt im Sterben“ … In einer solchen Lage herrscht nur noch lähmende Hoffnungslosigkeit. Man kann nichts mehr tun, außer sich dem Schicksal ergeben – und eben beten. Und das tut Jaïrus: Er sucht nach Jesus, wirft sich vor ihn hin und bittet um Hilfe: „Komm, leg ihr die Hände auf, damit sie wieder gesund wird“. Die Lage aber wird noch dramatischer und spitzt sich zu: „Deine Tochter ist gestorben!“ Jetzt ist wirklich alles aus. Der Tod ist etwas Endgültiges, Unwiderrufliches. Und genau da sagt Jesus: „Sei ohne Furcht; glaube nur.“
Es ist also eine Geschichte, die uns das furchtlose Gottvertrauen lehrt, das auf der göttlichen Tugend der Hoffnung gründet und weit über all das hinausgeht, was wir Optimismus nennen.
Der tschechische Theologe Tomáš Halík, der mehr als zehn Jahre lang während der kommunistischen Diktatur in Tschechien im Untergrund als Priester wirkte, hat das einmal so erklärt:
„Der Optimismus ist die kühne Annahme, das ‚alles gut gehen wird‘. Im Gegensatz dazu ist die Hoffnung eine Kraft, die uns auch eine Situation aushalten lässt, in der sich diese Annahme als Illusion erweist.“ Die göttliche Tugend der Hoffnung gründet nämlich auf dem Gottvertrauen und hofft eben auch dann, wenn alles verloren erscheint.
Es ist die Hoffnung, die sagt: „Sei ohne Furcht, glaube nur!“, und die uns auch der heilige Franz von Sales lehrt. Wenn dein Herz unablässig auf Gott ausgerichtet ist, dann kann es um dich herum drunter und drüber gehen, du wirst dennoch nicht verloren gehen.
Es ist die Hoffnung des Apostel Paulus, der schrieb: „Wir trauern nicht wie jene, die keine Hoffnung haben. Denn nichts kann uns von der Liebe Christi trennen, weder Bedrängnis oder Not oder Verfolgung, Hunger oder Kälte, Gefahr oder Schwert, Leid noch Tod. Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Gewalten der Höhe oder Tiefe noch irgendeine andere Kreatur können uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn (Röm 8,35.38-39).
„Gott gehören wir in Zeit und Ewigkeit“, meint Franz von Sales. Wir können also voll und ganz darauf vertrauen, dass wir niemals in ein leeres, bodenloses, ewiges Nichts stürzen, sondern immer nur in die offenen Arme Gottes, der uns auffängt, weil er uns liebt, selbst dann, wenn diese Arme am Kreuz festgenagelt sind.
All das verlangt weit mehr als den einfachen Optimismus und die Überzeugung „Alles wird gut“. Es verlangt ein Gottvertrauen, das auf Jesus Christus gründet, der durch den Karfreitag gegangen ist, der durch seinen Tod und seine Auferstehung alles Lebensfeindliche und Lebenzerstörende ein für alle Mal besiegte und uns zuruft: „Talita kum – Ich sage dir, steh auf“.
Ist das alles naiv und weltfremd – wie eine rosarote Brille, die man aufsetzt, um die grausame Wirklichkeit nicht anschauen zu müssen? Für eine Welt ohne Gott mit Sicherheit. „Die Leute gerieten außer sich vor Entsetzen“, berichtet deshalb auch das Evangelium. Für jene aber, die ihr Herz auf Gott ausgerichtet haben und ein tiefes Vertrauen in die Macht Jesu besitzen, liegt genau darin die Kraft zum Aufstehen und Weiterleben: „Gebt dem Mädchen etwas zum Essen“. Amen.
P. Herbert Winklehner OSFS