Predigt zum 13. Sonntag im Jahreskreis (Mk 5,21-24.35b-43)

Fürchte dich nicht! Glaube nur!

Es ist schon eine beeindruckende Erzählung, die uns der Evangelist Markus hier überliefert. Ein Herrscher, der Macht hat über den Tod, der ist durch nichts mehr zu überbieten, der ist Gott gleich. Genau das möchte uns dieses Ereignis von der Auferweckung der Tochter des Jarus deutlich machen: Jesus Christus ist der Messias, der Sohn Gottes. Seine Macht ist grenzenlos. Er kann Sünden vergeben, Kranke heilen, Dämonen austreiben, den Hunger nach Brot stillen, Naturgewalten wie Stürme und Gewitter in Schach halten – und schließlich der Höhepunkt: Er hat auch Macht über den Tod. Er kann Tote zum Leben erwecken. Das ist eine Macht, vor der sich jeder Herrscher der Welt zu beugen hat. Nur Gott ist Herr über den Tod. Wenn Jesus Tote auferwecken kann, dann ist er wie Gott.

Nach dieser Machtdemonstration sind die Leute, die das alles miterlebten, interessanterweise nicht in Jubel ausgebrochen, sondern zutiefst erschrocken. Sie waren „fassungslos vor Entsetzen“, schreibt der Evangelist Markus. Das ist ein Phänomen, dem wir in der Bibel immer wieder begegnen. Wenn sich der allmächtige Gott zu erkennen gibt, erschrecken die Menschen vor dieser Allmacht, die sich da zeigt.

Was können wir uns von dieser Bibelstelle aus dem Markusevangelium in unseren ganz gewöhnlichen Alltag mitnehmen? Ich glaube, es sind die fünf Worte, die in der Mitte dieser Erzählung stehen und die Jesus zum verzweifelten Synagogenvorsteher Jarus, dem Vater der sterbenden Tochter, sagt:

„Fürchte dich nicht! Glaube nur!“

Das ist die Botschaft Jesu an uns alle – jeden Tag. Mit diesen fünf Worten können wir eigentlich jeden unserer Tage beginnen. In unserer Ordensgemeinschaft ist es üblich, dass wir jeden Tag mit einer Morgenbetrachtung beginnen, wir nennen das „Vorbereitung auf den Tag“. Wir sitzen einfach da, machen uns die Gegenwart Gottes bewusst und denken darüber nach, was der heutige Tag bringen wird. Manches wissen wir bereits: eine Aufgabe, eine Begegnung, ein Termin, so das Übliche eben. Manches wissen wir noch nicht, die unvorhergesehenen Ereignisse, die man nicht planen kann. Alles, was uns dieser Tag bringen wird, legen wir vor Gott hin, die Menschen, die Aufgaben, das Vorhersehbare und Unvorhergesehene, ja selbst die Begegnung mit dem Tod. Und wir dürfen uns für diesen Tag von Jesus Christus diese fünf Worte zusprechen lassen: „Fürchte dich nicht! Glaube nur!“

Ich empfinde diese halbe Stunde am Tagesbeginn als großes Privileg. Und mir ist sehr wohl bewusst, dass nicht alle Menschen in der Früh diese Zeit haben. Aber ich glaube, es kann allen guttun, jeden Tag in der Früh als eine Art Kurz-Morgengebet, das nur fünf Sekunden dauert, an genau diese fünf Jesus-Worte zu denken, wenn ich den Tag beginne und mich an die Aufgaben mache, die vor mir liegen: „Fürchte dich nicht! Glaube nur!“

Der heilige Franz von Sales meint: Diese „allgemeine Vorbereitung auf das ganze Tagewerk“ soll „kurz und lebendig vollzogen werden; nach Möglichkeit, bevor du aus deinem Zimmer gehst, damit durch diese Übung alles von Gottes Segen befruchtet sei, was du tagsüber tust.“ Und dann sagt er: „Ich bitte dich, diese Übung niemals zu unterlassen“ (DASal 1,81-82).

Nehmen wir uns also diese fünf Worte Jesu mit und denken wir jeden Tag daran, damit unser Vertrauen in ihn und sein machtvolles Wirken wachsen kann und wir vom Segen Gottes begleitet werden: „Fürchte dich nicht! Glaube nur!“ Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS