Predigt zum 1. Adventsonntag (Mt 24,37-44)

Erlösung

Die Kirche spricht eine Sprache, die niemand mehr versteht. So lautet ein oft geäußerter Vorwurf. Ein Beispiel dafür ist der Begriff „Advent“. Was dieses Wort bedeutet, weiß kaum mehr jemand, daher hat man dieses Wort auch aus dem Wortschatz gestrichen und mit Weihnachten ersetzt. Wobei man auch mit dem Wort „Weihnachten“ eigentlich mittlerweile etwas ganz anderes meint, als wir Christen damit verbinden.

„Advent“ heißt „Ankunft“. Vier Wochen lang warten wir auf die Ankunft Gottes unter uns. Vier Wochen lang bereiten wir uns auf die „Weihnacht“ – auf die „geweihte Nacht“ vor, in der Gott kommt. Und warum tun wir das? Die Antwort auf diese Frage gibt uns das heutige Evangelium, aber auch da finden wir lauter Worte, die heute kaum noch verstanden werden: „man wird den Menschensohn in einer Wolke kommen sehen, mit großer Kraft und Herrlichkeit. Wenn dies beginnt, dann richtet euch auf und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe.“

Menschensohn … Herrlichkeit … Haupt … Erlösung. Das sind alles Begriffe, die von den Menschen, die mit der Sprache der Bibel nicht mehr vertraut sind, auch nicht mehr verstanden werden. Und so ist es auch nicht verwunderlich, wenn keiner mehr versteht, was wir denn überhaupt feiern, wenn wir Advent und Weihnachten feiern.

Wie erklärt man also all das dem heutigen Menschen?

Bei meiner Vorbereitung auf diese Predigt erschien plötzlich im Internet die Meldung: „Megastau auf der Autobahn im Frühverkehr. Ein Unfall mit mehreren Fahrzeugen sorgt für einen 13 Kilometer langen Stau. Auf allen Ausweichstrecken kommt es zu umfangreichen Verzögerungen.“ – Und ein paar Stunden später kam dann die Nachricht: „Die Umfallstelle ist geräumt – der Stau löst sich auf.“

Solche Nachrichten werden heute von jedem verstanden – und wer sich vorstellen kann, was es bedeutet, in einem solchen „Megastau“ zu stecken, der bekommt auch eine Ahnung davon, was „Advent“ bedeutet: Warten – Warten – Warten, weil nichts vorwärts geht. Hoffen, dass die verantwortlichen Helferinnen und Helfer, Polizei, Rettung, Feuerwehr die Lage bald in den Griff bekommen. Beobachten und schauen, was sich um mich herum tut. Konzentration, damit man auf jede Veränderung richtig reagieren kann … und dann endlich die Erlösung: es geht weiter.

All das möchte uns die Kirche durch die vierwöchige Adventszeit deutlich machen. Das, was zu Weihnachten geschieht – das Kommen Gottes in unsere Welt – ist wie die Erlösung aus einem Megastau, in dem sich die Menschheit hineinmanövriert hat. Die Worte, die die Bibel dafür verwendet, lauten: Bestürzung und Ratlosigkeit, Toben, Donner, Erschütterung, Rausch und Trunkenheit, Wachsamkeit und Achtsamkeit – und schließlich und endlich: die Erlösung. Der Menschensohn kommt mit Macht und Herrlichkeit. Es geht wieder weiter.

Wir haben jetzt vier Wochen Zeit, um uns auf diese Erlösung vorzubereiten.

„Seht, Christus kommt uns suchen; die Kirche lädt uns ein, ihn gut zu empfangen,“ (DASal 9,142) sagt der heilige Franz von Sales. Wir sind eingeladen, uns auf das Kommen Gottes in Macht und Herrlichkeit, auf das Ende des Mega-Staus, bei dem nichts mehr weitergeht, vorzubereiten, damit wir dann mit neuer Kraft, neuem Mut die Ankunft des Erlösers Jesus Christus unter uns feiern können.

„Wacht und betet allezeit“, heißt es am Ende des heutigen Evangeliums, „damit wir – wohl vorbereitet – vor den Menschensohn hintreten können.“ Das also wäre der biblische Rat für uns für diese vier Wochen: Wacht und betet. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS