Predigt beim Requiem Bruder Günter Maier (2 Kor 5, 1-10; Joh 21, 1-13)
Fester, geerdeter, unkomplizierter Glaube an Gott
Würde mich jemand so im Vorbeigehen fragen, welche Assoziationen mir zu unserem Br. Günter kommen, so hätte ich da spontan, ohne lange nachzudenken ein paar markante Begriffe auf Lager: waschechter Franke mit unverkennbar fränkischen Ausdruck, bayrische Brotzeit, Beethoven sowie Volksmusik und Musikantenstadel, Wanderabzeichen (besonders von Kals in Osttirol), Karpfen, Kumpel, Heuriger, Tausendsassa, Genießer, Sakristan, Liturgiefreude und … Volkskirche – das bedeutet: fester, geerdeter, unkomplizierter Glaube an Gott, der mit uns geht, uns niemals fallen lässt, der zu uns hält. Ein Glaube, wie man ihn heute nur mehr von traditionell katholisch aufgewachsen Menschen kennt, für die die Kirche zum Lebensalltag einfach dazugehört. Vielleicht aber klingt es verwunderlich, dass mir zu Br. Günter, der ja 54 Jahre Ordensmann war, mehr Profanes als Frommes einfällt, was man ja eigentlich mit Ordensleuten nicht unbedingt in Verbindung zu bringen sich erwartet. Aber wie es eben einmal so ist und wie es auch viele Volksheilige aufzeigen, es mag die herausragende Frömmigkeit zwar eine logische Ableitung aus der Berufung zum gottgeweihten Leben im Orden sein, dass Ordensleute an ihren frommen Gehabe sofort unter vielen normalen Leuten herausstechen, … dennoch gibt es das Phänomen in den Orden, dass sich die, die sich für ein asketisches Leben entschieden haben, vielleicht sogar deshalb in der Welt besonders zuhause fühlen. Bitte verstehen Sie das jetzt nicht zynisch! Denn es ist ja nicht Sinn des Ordenslebens, sich eine fromme Scheinwelt aufzubauen und weltfremd zu werden, sondern sich selbst zu entdecken in all den Bedürfnissen, die in einem da sind, sie zu reflektieren und schließlich anzunehmen. Ordensleben will die Authentizität des Menschen fördern, sodass er kein seelischer Krüppel wird, sondern immer mehr das Original, das Gott in jedem von uns hineingelegt hat. Daher kann es sein, dass Ordensleute manchmal besondere Originale werden, die nicht vor der Welt flüchten, sondern sich mitten unter den Menschen besonders wohl fühlen. Unser Br. Günter war ein Original. Vielleicht sogar im zweifachen Sinn: Er war keine Kopie von irgendjemanden, er war einzigartig und unvergleichlich. Er war aber auch ein Original im bayrischen Sinn. Ich meine damit, bei so einem Original kommen weitere Eigenschaften und Wesenszüge dazu, die so originell sind, dass sie unter den vielen Originalen der Menschen dann noch einmal eigens hervorstechen. Und ich glaube, das war bei unserem Br. Günter der Fall. Die Schule des hl. Franz von Sales – schließlich lernte er sie in Eichstätt in seinen jungen Jahren kennen – bestärkte ihn offensichtlich dazu, innerhalb seines Ordenslebens seine originellen Wesenszüge auszubauen und – wie Franz von Sales es empfiehlt – das zu werden, was man ist, und das ganz zu werden. In dem Maß, in dem der Mensch ganz wird, also er selbst wird, kann er seine Beziehung zu seinem Schöpfer entdecken und die Liebe seines Schöpfers zu ihm, die Liebe zu seiner Originalität, zu seiner Einzigartigkeit und Einmaligkeit. Damit findet der Mensch zu der Gnade, die Gott für ihn bereithält und ihm schenken möchte, damit sie das vollenden kann, was der Mensch als göttlichen Keim in sich hat, aber in seinem Leben nicht schafft zur vollen Entfaltung zu bringen. Und wir wissen von uns selbst wie auch von unserem Br. Günter, dass wir alle dieser Gnade Gottes für unser unvollendetes und unvollkommenes Leben bedürfen. Ich denke, für unseren Br. Günter war es nach seiner nicht einfachen Kindheit, die von Armut und Not geprägt war, sicherlich ein sinnvoller, fördernder und auch plausibler Entschluss, das Leben in einer Ordensgemeinschaft zu wählen. Denn obwohl ein Orden nicht um seiner selbst willen existiert, sondern deshalb, im Namen Jesu das Evangelium zu leben und in die Welt hinaus zu tragen, sozusagen als Zeichen für Gottes Reich unter den Menschen zu dienen, so bietet er auch immer für die, der sich ihm anschließen, ein Stück Heimat, Geborgenheit und auch ein Stück Sorglosigkeit. Br. Günter hat diese Beheimatung im Orden gefunden. Und innerhalb dieser Institution wurde auch er selbst zu einer Institution. Sein herzhaftes Lachen, sein auffallend schneller „kurzschrittiger“ Gang, sein Exultet in der Osternacht, seine Allerheiligenlitanei an den Bitttagen, sein liturgischer Einsatz bei den verschiedenen Hochfesten, sein Vorbeten und Vorsingen, … das machte er mit vollem Engagement … aber auch auf seine eigene leidenschaftliche Art.
Als Ordensleute mitten in der Welt leidenschaftlich für Gott zu leben … dazu lädt uns das 2. Vatikanum ein und gegenwärtig der Papst durch das Jahr der Orden. Leidenschaft aber ist auch immer ambivalent. Das sehen wir an Petrus, der wie Br. Günter ein leidenschaftlicher Fischer war. Er lud seine Kollegen Thomas, Natanael, Jakobus und Johannes zu einem erneuten Fischfang ein und er braucht sie nicht zweimal fragen. Sie bleiben aber trotz ihrer Leidenschaft für s Fischen und ihrer Professionalität erfolglos, weil sie sich nur auf ihr eigenes Können stützen . Vom Auferstandenen müssen sie lernen, das Netz auf der rechten Seite, der richtigen Seite, auf der Seite Gottes auszuwerfen … damit der Fang gelingt. Sie mussten und durften erkennen, dass Ostern immer eine dynamische Begegnung mit dem Auferstandenen ist und kein konservierter Glaubenssatz. Deshalb lädt sie Jesus auch ein, zum österlichen Mahl ihre Gegenwart mitzubringen, den frischen Fischfang. Br. Günter ist zum österlichen Mahl schneller geladen worden als er selbst und wir wahrscheinlich vermuteten. Sein irdisches Zelt ist abgebrochen. Er ist aus seinem Leib ausgewandert – wie der hl. Paulus es sagt – um jetzt daheim beim Herrn zu sein. Es war eine Krankheit, die sich langsam bei ihm einschlich und ihn lange begleitete, schließlich dann relativ schnell zum Zusammenbruch seines Organismus führte. Die Vorboten, die sich schon vor 2 Jahren einstellten, betrachtete er in seinem Optimismus als vorübergehend. Die Erkenntnis der Ernsthaftigkeit seines gesundheitlichen Zustandes kam erst in den letzten Monaten. „Ich habe auch vieles übersehen und nicht genügend ernst genommen …“, hat er mir in unserer letzten Begegnung sehr mürbe geworden gesagt. Kommt her und esst! Lädt Jesus seine Jünger ein und er gab ihnen Brot und ebenso den Fisch. Jetzt kann Br. Günter sich von seinem Herrn und Meister, dem er sein Leben gewidmet hat, zum Gastmahl des ewigen Lebens einladen lassen. Ob Karpfen serviert wird, wissen wir nicht. Aber wir wollen daran glauben, dass Gott ihn mit seiner Liebe und Barmherzigkeit empfangen hat und sein Leben nun voll-endet ist. Amen.
P. Provinzial Thomas Vanek OSFS (Wien, 29.10.2015)