Predigt beim Requiem Br. Ernst Prause (1 Kön 19, 4-9; Mt 13, 47-48)

Ein Engel rührte den schlafenden Elija

Ich habe als Lesung diesen Abschnitt aus der Geschichte des Propheten Elija gewählt, weil er meines Erachtens nach gerade zum letzten Lebensabschnitt von Br. Ernst passt. Dieser letzte Lebensabschnitt waren doch fast 13 Jahre. Aber ich meine, es waren ganz wichtige 13 Jahre. Als nämlich Br. Ernst 80 war, trat er in den Ruhestand. D.h. er trennte sich von seiner Arbeit als Hausmeister und von den vielen kleinen Arbeiten, die ihm die meiste Zeit seines Lebens – besonders seines Ordenslebens – viel Freude bereitet haben. Man hat sogar erzählt, dass er genau mit seinem 80. Geburtstag die Arbeitskluft ausgezogen hat, und am darauf folgenden Tag war Br. Ernst kein Arbeiter mehr. Ich glaube, ab diesem Tag begann für ihn wie für Elija der Weg in die Wüste. Seine so beschwingte und fröhliche, zumal auch energische Art, veränderte sich wie auf einmal in die Art eines Einsiedlers, der kaum noch aus seinem Zimmer ging. Der allseits bekannte extrovertierte Br. Ernst wurde zu einem introvertierten schweigsamen Menschen. Und nicht selten sagte er: ich will eigentlich nur mehr sterben. Elija, der noch ganz unter dem Eindruck von seinem Erfolg auf dem Berg Karmel stand, erlebt in der Wüste etwas ganz ähnliches. Er will nicht mehr. In der Wüste ist er fern vom Erfolg, fern vom Tun und von der Arbeit, ganz auf sich allein gestellt. Und da bricht offensichtlich sein ganzes Selbstverständnis ein, denn er ist ja der, der eifrig für den Herrn eingetreten ist und seinen Gegnern auch gezeigt hat, wer der wahre Gott ist. Br. Ernst hatte bevor er Sales-Oblate wurde, ein sehr bewegtes Leben. In diesem Leben hieß es sich bewähren, lernen und durchkämpfen. Als praktizierender Bäckergeselle wurde er von Anfang des Krieges an in den Militärdienst eingezogen und selbst die Kriegsgefangenschaft musste er 3 Jahre lang aushalten. Wahrscheinlich war diese Zeit für ihn die erste Erfahrung von Wüste, die es auszuhalten galt, in der aber auch seine Berufung zum Ordensmann gereift ist. Als Heimatvertriebener Schlesier fand er schließlich eine neue Heimat, die Ordensgemeinschaft der Oblaten des hl. Franz von Sales. Und seit seiner Ordensprofess war für Br. Ernst die Arbeit in der Landwirtschaft, in der Haustechnik und im Garten seine Freude. Er war ein Oblate im wahrsten Sinn des Wortes – ein sich hingegebener in das, was anstand, was es zu tun galt. Das war klar, wenn die Heizung ausfiel, war Br. Ernst zur Stelle. Ob Tag oder Nacht. (In der Nacht vielleicht nicht so begeistert wie am Tag.) Sein Geschick und seine vielen praktischen Talente konnten sich da entfalten und zu blühen beginnen. Ich persönlich erlebte in meiner Ausbildungszeit Br. Ernst als einen Vollblutarbeiter, den ich größtenteils nur im Arbeitsgewand sah, und bei den geistlichen, liturgischen Zeiten in einem etwas besseren (schöneren) Arbeitsmantel oder eben im Talar. In seinem Engagement für den Garten, für den Friedhof, für das Studentenheim hier im Rosental konnte er sich ereifern und manchmal auch ein wenig heftig werden. Das Wochenende und der Sonntag, sowie der Urlaub waren für ihn heilig. Nicht selten besuchte ich Br. Ernst auf seinem Zimmer am Samstag Nachmittag und dann konnten wir lachen und blödeln und ich erlebte ihn als einen jung gebliebenen Mitbruder.
Das war sein Leben bis zu seinem Ruhestand. Denn dann kam die Wüste, der Gedanke ans Sterben immer öfter. Seine Schweigsamkeit machte uns Sorgen. Als er aber dann auf die Pflegestation in das Caritas-Altenheim St. Elisabeth kam, änderte sich das noch ein weiteres, ein letztes Mal. Ein Engel rührte den schlafenden Elija an und sprach: Steh auf und iss! Und er aß und trank und nahm den Weg gestärkt durch die göttliche Speise auf sich, bis er am Gottesberg Horeb war. In diesen letzten Jahren begann Br. Ernst wieder zu reden, er bewies, wie gut sein Gedächtnis noch war, er formulierte klar und deutlich seine Gedanken, er interessierte sich für Neuigkeiten aus dem Orden, er freute sich über jeden Besuch der Mitbrüder. Und die Mitbrüder besuchten ihn deshalb gerne, und ich erfuhr von ihren Besuchen bei Br. Ernst von einem ganz anderen Ernst als ich ihn noch vor einigen Jahren hier im Rosental erlebte. Sein Wunsch nach dem Heimgang zu Gott war noch immer da, aber er war geläutert und gleichzeitig erfüllt von einer Dankbarkeit für sein reiches und erfülltes Leben. Was war seine Wüstenerfahrung in diesen letzen Jahren? Im Gleichnis vom Fischnetz mag eine mögliche Antwort liegen. Sein Netz war voll von allerlei Fischen. Der Fischfang seines Lebens hat sich ausgezahlt. Was noch fehlte, war die Auslese. Die guten Fische von den schlechten zu unterscheiden und zu trennen. Das kann eine Aufgabe im Altwerden sein. Die Früchte des Lebens einzuholen, sie zu betrachten und zu unterscheiden, damit das Leben reif wird, um es ganz in die Hände Gottes zu legen – angenommen und versöhnt. Manchmal – wie auch bei Br. Ernst – geben einem die gesundheitlichen Grenzen wenig Spielraum und zwingen einem zu diesem inneren geistlichen Prozess. Ich glaube, mit der Hilfe vieler Mitbrüder, die Br. Ernst gerade in dieser letzten Lebensphase begleitet haben, aber auch mit der Hilfe des Pflegepersonals im Altenheim St. Elisabeth, konnte Br. Ernst seinen Gottesberg Horeb erreichen. Allen, die ihm dabei begleitet haben, möchte ich meine tiefe Dankbarkeit aussprechen. Sie waren geistliche BegleiterInnen für unseren Br. Ernst, der nun die Fülle seines Fischfanges in Gott selbst erfahren darf. Mit Franz von Sales möchte ich schließen so wie es auf der Parte geschrieben steht: Jesus Christus blickt dich vom Himmel her gütig an und lädt dich herzlich ein: Komm zur ewigen Ruhe, teure Seele! Komm in die Arme meiner Güte, die dir in ihrer überreichen Liebe endlose Freuden bereitet. Amen

P. Provinzial Thomas Vanek OSFS (Eichstätt, 23. Juli 2010)