Predigt zum Requiem P. Alfred Blöth OSFS
Verantwortung und Gewissenhaftigkeit
Offb 20,12-13.21,1-7; Lk 19,12-26
Der Tag, an dem P. Alfred 1932 geboren wurde, war der 15. November. Dieser Tag ist hier in Deutschland der Gedenktag des hl. Albertus Magnus, in Österreich ist es der Gedenktag des hl. Leopold. Er war es, der als Markgraf das Fundament für Österreich gelegt hat. Er hieß auch der „Fromme“ und der „Milde“. Auch wenn er die Königswürde ablehnte, so wirkte er wie ein König, nämlich umsichtig und sorgend für sein Volk. Er war ein Mann des Glaubens und des Gebetes. Als Gründer der Stifte Klosterneuburg und Heiligenkreuz ist er vom Klösterreich Österreich nicht mehr wegzudenken. An diesem Festtag, am 15. November also, wird in der kirchlichen Liturgie das Evangelium gelesen, das wir vorhin gehört haben. Das Gleichnis vom König und seinen Dienern, die ihm bei seiner Rückkehr Rechenschaft über das ihnen anvertraute Geld abzulegen hatten. Zwei dieser Diener wurden gelobt und belohnt, weil sie verantwortungsvoll und gewissenhaft mit dem umgegangen sind, was ihnen anvertraut wurde. Verantwortung und Gewissenhaftigkeit – das sind die beiden Begriffe, die man mit unserem lieben verstorbenen P. Alfred wunderbar in Verbindung bringen kann. Wer ihn kannte, weiß, dass er im Wesen ein sehr gewissenhafter, geordneter und verantwortungsvoller Charakter war. Oberflächlichkeit und Ungenauigkeit, sowie Hast und Eile waren nicht das Seine. Vielmehr war es die sorgsame und behutsame Vorgehensweise, die ihn einen Schritt nach dem anderen setzen ließen. So erfuhren wir und begegneten wir P. Alfred als einen besonnenen und beharrlichen Menschen, der sich Zeit nahm für alles, was er anging, was er vorbereitete oder auch für jede Begegnung – ganz gleich, von welcher Art sie war. Das schätzten wir sehr an ihm. Denn gerade die Besonnenheit und die Beharrlichkeit sind die Voraussetzungen für die Treue, die ein Mensch lebt. Bei P. Alfred war es die Treue zu seiner Berufung als Ordenspriester, die Treue zu seiner Aufgabe als Seelsorger, Prediger und Pfarrer, die Treue auch als Verantwortlicher für die Ordensgemeinschaft im Rosental, der er 6 Jahre als Rektor und Ökonom vorstand. Es war aber auch die Treue zu den Menschen, die mit ihm unterwegs waren, die ihm zur Seite standen und die er begleitete – als Pfarrer oder als freundschaftlich Verbundener. Vielleicht hatte ihm seine Familie diese Treue bereits als Kind und Jugendlichen vorgelebt. Treue, Opfergeist, gewissenhafte Pflichterfüllung und das tägliche Gebet sollen die Familie Blöth gekennzeichnet haben. Ich denke, bei P. Alfred waren es gerade diese Tugenden, die ihm als Kaufmann und Dekorateur noch nicht zufrieden sein ließen. Da war noch ein Ruf in ihm – ein göttlicher Ruf. Schließlich brauchte es noch einige Jahre, bis er diesem Ruf traute und auch folgte. Und weil es eine lange Zeit des Wachsens und Reifens seines Ordens- und Priesterberufes war, war seine Treue dann umso deutlicher und klarer. Geduld und Ausdauer waren die Früchte dieser Zeit der Entscheidung, der Ordensausbildung und des Studiums. Geduld und Ausdauer – dafür war P. Alfred auch bei seinen Mitbrüdern bekannt. Wenn sie bei dem damaligen Oberen im Rosental, der ein etwas strenger und knorriger Westfale war, etwas erreichen wollten, dann schickten sie den Frater Alfred zu ihm voraus. Und seine Geduld und Ausdauer – auch im Ausdrücken der Anliegen und Wünsche – hatte Erfolg. Wir alle haben unseren P. Alfred wohl auch in dieser seiner Eigenschaft jede/r auf seine Art erfahren.
Alfred war in seinem ersten Berufsleben Kaufmann und Dekorateur. In Weiden gestaltete und dekorierte er Schaufenster. Dazu hatte er ein großes Talent. Er hatte ein Gefühl für Ästhetik und Stil. Dieses Gefühl begleitete ihn sein ganzes Leben lang. In seinen Fotografien, in den Einstellungen und Motiven seiner Fotos kann man das wunderbar erkennen. Wir haben vorhing als Lesung aus der Offenbarung des Johannes die Vision des himmlischen Jerusalems gehört. Diese Beschreibung ist eigentlich auch nichts anderes als das Schaufenster des Himmels. In diesem Fenster ist alles so beschrieben, wie es dann wirklich ist, wenn das Buch des Lebens aufgeschlagen wird, wenn wir Gott von Angesicht zu Angesicht begegnen und ihn erfahren als den, der unter uns wohnt, der unsere Tränen abwischt und uns zu trinken gibt von der Quelle des Lebens. Da gibt es keine Trauer und kein Leid mehr. Die Botschaft der Auferstehung drückt der Seher Johannes so aus: er wird unser Gott sein und wir werden seine Töchter und Söhne sein. Und das in Ewigkeit, denn er ist das Alpha und das Omega – der Anfang und das Ende. P. Alfred darf nun sein anvertrautes Gut seinem Herrn und König zurückgeben und wir alle, die wir ihn auch als sparsamen, bescheidenen und bedachten Menschen gekannt haben, können gut daran glauben, dass P. Alfred das ihm anvertraute Gut mit viel Liebe und Sorgfalt verwaltet hat. Wenn wir uns die abschließenden Worte Jesu aus dem Gleichnis noch einmal vergegenwärtigen, dann wird dem gegeben werden, der sein Talent nicht ängstlich vergraben hat, sondern der es eingesetzt hat und es hat arbeiten lassen, damit es Frucht bringen sollte. Nun darf P. Alfred nicht nur in das Schaufenster des himmlischen Jerusalems hineinblicken, sondern er ist geladen, den neuen Himmel zu betreten, indem er erfahren darf, dass Gott sein Gott ist und er sein Sohn. Amen
P. Provinzial Thomas Vanek OSFS, Eichstätt, 5. November 2021