Predigt zum Palmsonntag (Lk 19,28-40)
Der Weg zum Frieden
Der Evangelist Lukas ist weltberühmt für sein Weihnachtsevangelium: „In jenen Tagen erließ Kaiser Augustus den Befehl, den ganzen Erdkreis in Steuerlisten einzutragen …“ Wir kennen diese Geschichte sehr gut. Am Ende verkünden dann die Engel den Hirten auf dem Feld: „Verherrlicht ist Gott in der Höhe und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade.“
Das war an Weihnachten. Heute ist Palmsonntag und Lukas erzählt uns die Geschichte vom Einzug in Jerusalem. Interessanterweise kommt darin diese weihnachtliche Botschaft noch einmal vor, allerdings ein klein wenig verändert. Die Leute rufen Jesus zu:
„Gesegnet sei der König, der kommt im Namen des Herrn. Im Himmel Friede und Ehre in der Höhe.“
Der Unterschied: Jetzt herrscht der Friede nur noch im Himmel, nicht mehr auf Erden. Offenbar wurde der Evangelist Lukas von der Realität eingeholt. Sein Optimismus, dass mit der Menschwerdung Gottes der Friede auf Erden Einzug hält, ist verschwunden. Wenn Friede, dann gibt es diesen nicht auf Erden, sondern nur noch im Himmel.
All das mag sich vielleicht wie biblische Wortklauberei anhören. Im Blick auf das, was sich in den letzten zweitausend Jahren seit der Menschwerdung Gottes in der Welt alles zugetragen hat, müssen wir Lukas leider Recht geben. Friede auf Erden wünschen sich zwar alle, aber es hat bisher nie richtig funktioniert.
Damit wird uns allen auch deutlich gemacht, dass das viel entscheidendere Ereignis in den Evangelien nicht Weihnachten ist, sondern die Ereignisse um die Karwoche und Ostern: das Leiden, Kreuz, der Tod und die Auferstehung des Friedensfürsten Jesus Christus.
Warum? Friede auf Erden ist nur möglich, wenn man auf jegliche Versuchung der Macht verzichtet. So wie Jesus Christus uns das vorgelebt hat.
Der Apostel Paulus fasste das wunderbar in seinem Christushymnus zusammen: „Christus Jesus war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, Gott gleich zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich … er war gehorsam bis zu Tod, bis zum Tod am Kreuz“.
Und beim letzten Abendmahl erzählt Lukas vom Streit der Jünger, wer unter ihnen der Größte sei. Und Jesus sagt ganz klar: Der Größte unter auch ist der, der den anderen dient. Nicht das Herrschen bringt den Frieden auf Erden, sondern das Dienen.
Der gesamte Leidensweg, den Jesus zu gehen hat, macht dies deutlich: er ist der Messias, der Sohn Gottes, er ist der König der Juden, aber nicht um seine Macht gewaltsam durchzusetzen. Er lässt sich gefangen nehmen, verspotten, geißeln, verurteilen, er trägt das Kreuz mit der verhöhnenden Aufschrift „Das ist der König der Juden“ und stirbt den qualvollen Tod eines Verbrechers.
All das geschah, um uns zu zeigen, dass der Weg zum Frieden nicht über Herrschen und Macht funktioniert. Jesus ging einen anderen Weg, wie auch Franz von Sales einmal in einer Predigt sagte: „Unser teurer Erlöser … setzt sein Leben der Grausamkeit der Feinde der Menschen aus, um sie vor jedem Unglück zu bewahren und ihnen den Frieden wiederzuschenken, den sie … für immer verloren hatten.“ (DASal 9,328)
Vor uns liegt die Karwoche … Gründonnerstag, Karfreitag, Ostern … Wir Christen glauben an Gott, der uns jedes Jahr zeigt: wenn ihr wirklich in Frieden leben wollt, dann müsst ihr der Versuchung der Macht widerstehen. Wenn ihr wirklich herrschen wollt, dann seid Diener und Dienerinnen aller. Amen.
P. Herbert Winklehner OSFS