Predigt zum „Ort der Taufe“

Eckstein Taufbrunnen

„Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, er ist zum Eckstein geworden“ … dieser Satz aus dem heutigen Evangelium (Mt 21,42) schlägt die Brücke zu unserer Predigtreihe über besondere Orte im Kirchenraum. Ein solcher Eckstein im Kirchenraum ist nämlich der Taufbrunnen – jener Ort also, wo deutlich wird, dass Kirche seit mehr als zweitausend Jahren trotz vieler Zeiten der Verfolgung, der Irrwege und Rückschritte wächst und blüht.

Einen solchen Taufbrunnen gibt es nicht in jedem Kirchengebäude – sondern nur in solchen Kirchen, die als Pfarrkirchen erbaut wurden. Damit wird schon durch die Architektur des Kirchenraumes deutlich, dass die Taufe kein privates Ereignis innerhalb einer Familie ist, sondern die Aufnahme eines Menschen in eine Pfarrgemeinde, und damit in die Gemeinschaft der weltweiten Kirche. So wird es auch von den Eltern und Patinnen oder Paten versprochen: „Ich will helfen, dass der Täufling seinen Platz in der Gemeinschaft der Kirche findet“.

Und das ist nicht das Einzige, was an diesem Ort des Taufbrunnen geschieht: Dort werde ich von Gott mit meinem Namen angesprochen. Gott kennt mich, er weiß von mir, er spricht mich mit meinem Namen an. Dort erhalte ich durch die Taufkerze das Licht des Auferstandenen Christus, der mein Leben erleuchten soll, dort werde ich mit dem lebenspendenden und reinigenden Wasser übergossen, dort werde ich mit Chrisam gesalbt und für das Leben gestärkt, und dort wird mir das Taufkleid überreicht als Zeichen meiner einzigartigen Würde, die ich als Geschöpf und Abbild Gottes besitze.

Das ist ein faszinierender Gedanke, an den uns ein jeder Taufbrunnen erinnert: Du bist ein von Gott geliebtes Geschöpf, du bist einzigartig, vor dir hat es noch nie jemanden wie dich gegeben, und nach dir wird es nie wieder jemanden wie dich geben. Du besitzt eine einzigartige Würde, die dir geschenkt ist und dir niemand nehmen kann … Der Taufbrunnen wir so zum Symbol dafür, dass es vor Gott keinen Unterschied zwischen arm und reich, Mann oder Frau, irgendwelcher Rassen oder Kulturen – vor Gott sind alle Menschen gleich, haben die gleiche Würde. Damit erinnert uns jeder Taufbrunnen daran, dass in der Kirche von Anfang an gilt, was der 1. Artikel der Menschenrechte zum Ausdruck bringt: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“

Für alle Menschen gilt, was der heilige Franz von Sales über die Taufe sagte:

„Der Heiland hat uns von unserer frühesten Jugend an genährt und gebildet. Er hat uns, einer liebenden Amme gleich, seit dem ersten Augenblick unserer Empfängnis in die Arme … genommen … Durch die Taufe hat er uns zu den Seinen gemacht, hat uns mit unvergleichlicher Liebe Nahrung für Herz und Leib gegeben“ (DASal 4,56).

Die Taufe ist allerdings nicht nur ein Geschenk, sondern auch ein Auftrag, an den uns der Taufbrunnen ebenso erinnert: Symbolisch dargestellt wird dies ebenso durch das Überreichen des Taufkleides, wo dem Täufling aufgetragen wird: „Bewahre diese Würde für das Ewige Leben“. Also: Lebe so, dass durch dein Leben Jesus Christus in dieser Welt spürbar und erfahrbar wird, seine Botschaft vom Reich Gottes, seine Botschaft von der Liebe Gottes für diese Welt.

So lade ich ein, dass wir heute gemeinsam unsere Taufe und unseren Glauben erneuern. Wir tun dies übrigens mehr oder weniger bewusst jedes Mal, wenn wir unsere Finger in Weihwasser tauchen und uns bekreuzigen – Jeder Weihwasserkessel ist also nichts anderes als ein kleiner Taufbrunnen, der mich in meiner Wohnung, in meinem Alltag, dort, wo ich lebe und arbeite, wo ich esse, trinke und schlafe, an meine Taufe erinnert und an die Gegenwart des liebenden Gottes inmitten meines Lebens. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS