Predigt zum Fest Christi Himmelfahrt (Mk 16,15-20)

Geht hinaus in die ganze Welt

das Wort „Neu-Evangelisierung“ gab es früher nicht. Es wurde erst vom heiligen Papst Johannes Paul II. eingeführt als Reaktion auf die wachsende Säkularisierung in jenen Ländern, die Jahrhundertelang vom Christentum geistlich, philosophisch, sozial und kulturell geprägt wurden. Das Wort gilt also für uns – hier im Herzen Europas.

Vor gut hundert Jahren war die überwiegende Mehrheit, mehr als 80 Prozent der Bevölkerung hier in Wien noch Katholisch. Heute sind es nicht einmal mehr die Hälfte. Geht die Entwicklung so weiter, so wird in wenigen Jahren jene Religionsgemeinschaft die größte sein, die ohne Bekenntnis ist, also „religionslos“. Katholiken werden dann nur noch zu einer Minderheit gehören. Die Mehrheit wird eine unscharfe, nebulöse Gläubigkeit besitzen und in die Gruppe der Säkularen abgewandert sein, für die Kirche, Glaube und Religion gar keine Rolle mehr spielen.

Was also Jesus im heutigen Evangelium so kurz vor seiner Himmelfahrt den Aposteln zuruft, ist also heute aktueller denn je: „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!“

Die Zeit der Volkskirche, in der sich automatisch jede und jeder taufen lässt und Christ ist, diese Zeit ist vorbei. Heute ist wieder die Kirche der Bekenner gefragt, jene Minderheit also, die in Wort und Tat offen zugibt: Ja, ich glaube daran, dass Gott meine Rettung ist, dass er meinem Leben einen Sinn gibt, mich glücklich macht, mich von Dämonen befreit, vor Gefahren schützt, für mich heilsam ist, mir Kraft schenkt und meine Unvollkommenheiten im Ewigen Leben vollenden wird. Dieses missionarische Zeugnis ist wieder gefragt.

Ich glaube, dass der heilige Franz von Sales und seine Spiritualität dafür eine große Hilfe sein können. Welche Empfehlungen gibt er uns für unsere heutige Zeit der Neuevangelisierung?

Das Erste ist: Gott lässt sich aus unserem Alltag nicht verbannen. Er ist da wie die Luft, die wir atmen – ob wir das nun zugeben wollen oder nicht. Wir leben in seiner Gegenwart, wir können ihn zwar nicht sehen, aber ohne ihn gäbe es kein Leben.

Und das Zweite stammt aus einem Brief. Dort schreibt er: „Ich will keine fantastische, mürrische, melancholische, verärgerte und kopfhängerische Frömmigkeit; wohl aber eine sanftmütige, freundliche, angenehme, friedliche – mit einem Wort eine ganz aufrichtige Frömmigkeit, die von Gott zuerst und dann von den Menschen geliebt wird“ (DASal 6,43).

Das ist seine Interpretation des Auftrages Jesu „Geht hinaus in alle Welt und verkündet das Evangelium!“ – Lebe so, dass die Menschen, denen du begegnest, durch deine Art und Weise spüren, dass Gott die Liebe ist: durch deine Freundlichkeit, Sanftmut, Herzlichkeit und Authentizität. Die Menschen sollen an mir erkennen, erfahren und spüren, dass mir Gott wichtig ist, dass er der Halt und das Fundament meines Lebens ist, mir Kraft und Glück schenkt.

Und das Dritte, das Franz von Sales rät, ist die Mystik, also die Faszination für das göttliche Geheimnis. Ohne eine persönliche Gottesbeziehung, ohne die Kraft des Gebetes, die Gottesbegegnung im Sakrament der Eucharistie und der gemeinsamen Bestärkung im Glauben in der Gemeinschaft der Kirche wird es nicht möglich sein, den zeitlos gültigen Auftrag Jesu vor seiner Himmelfahrt zu verwirklichen: „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Völkern.“ Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS