Predigt zum Dreifaltigkeitssonntag (Joh 16, 12-15)
Gott – Seine Größe
An welchen Gott glauben wir?
Es gibt da diese schöne Geschichte von den drei Blindgeborenen, die einem Elefanten begegnen. Sie werden gefragt: Wie sieht ein Elefant aus? Der erste Blinde berührt den Rüssel berührte und meint: ein Elefant ist wie ein Gummischlauch. Der zweite, der ein Ohr berührt, meint: Nein, ein Elefant ist wie ein großes Bananenblatt. O nein, meint der dritte Blinde, der einen Fuß ergriff, ein Elefant ist wie ein Baumstamm.
An welchen Gott glauben wir? Bei der Beantwortung dieser Frage muss uns immer bewusst sein, dass wir letztendlich wie Blinde sind, die die wahre Größe Gottes nie ganz begreifen können. Wir erfahren und erleben Gott immer nur in einem kleinen Ausschnitt, aber nie in seiner wirklichen Größe und Ganzheit. Das Fest der Heiligen Dreifaltigkeit möchte uns genau daran erinnern. Gott ist so groß, dass wir ihn nie ganz verstehen können. Die Aussage der Dreifaltigkeit Gottes … Gott ist einer in drei Personen, Vater, Sohn und Heiliger Geist … ist ein Beispiel dafür. Wir können nicht verstehen, wie das logisch zusammengeht: Ein Gott in drei Personen … aber genau in diesen drei Personen hat Gott sich uns in der Bibel gezeigt: Gott Vater … Jahwe … der Gott, der für uns da ist … Gott Sohn … Jesus Christus, der menschgewordene Gott der uns durch Kreuz, Tod und Auferstehung erlöst hat … und Gott Heiliger Geist, der diese Welt durchströmt mit seinen Gaben und die Liebe Gottes spürbar macht. Wir verwenden Symbole und Bilder, die uns all das deutlich machen. Die Bibel ist voll von solchen Bildern und Gleichnissen, Jesus selbst hat mit Vorliebe solche Bilder und Gleichnisse verwendet, und ein jedes Bild zeigt uns eine andere Wirklichkeit, einen anderen Blickwinkel dieses unbegreiflich großen Gottes: die Wolke und die Feuersäule, der brennende Dornbusch, die Taube, das Wasser des Lebens, der Weinstock, die Tür, das Brot, das Manna, das leise Säuseln, der Atem, der Sturmwind, Feuerzungen, das Herz, der gute Hirte … all das sind Bilder, die uns erahnen und erleben lassen, wie Gott ist, uns aber ebenso deutlich machen, dass dies alles immer nur Ausschnitte sind, Mosaiksteine, die letztlich nur darauf hinweisen, dass Gott trotz allem der ganz Andere bleibt, der Unbegreifliche, nie ganz Verstehbare.
„Wir sind daher gezwungen“, schreibt Franz von Sales, „wenn wir von Gott irgendwie sprechen wollen, unsere Zuflucht zu einer Vielzahl an Worten zu nehmen. Wir sagen: Gott ist gütig, weise, allmächtig, wahrhaftig, gerecht, heilig, unendlich, unsterblich, unsichtbar. Das ist auch richtig, denn Gott ist das alles. Aber er ist auch mehr als das alles ist; das heißt, er bleibt letztlich unvorstellbar.“ Franz von Sales macht also deutlich, dass die Größe Gottes unbeschreiblich ist, ja sein muss, denn könnte ich Gott beschreiben, wäre er nicht mehr der unbeschreiblich große Gott.
Ein jeder von uns ist eingeladen, sich jeden Tag von neuem auf die Suche nach unserem Gott zu machen, nicht nur in der Bibel, sondern genauso im alltäglichen Leben, in der Natur, im Mikrokosmos, im Makrokosmos, in den kleinsten Teilen der Schöpfung und im unendlichen Universum … bis all unser Suchen und Finden ihr Ziel findet in der Ewigkeit.
Ob wir dort das gesamte Bild Gottes werden erkennen können, wissen wir nicht. Die Bibel verheißt, dass wir dann Gott von Angesicht zu Angesicht schauen werden. Dass uns die Augen aufgehen und wir viele Bilder, die wir uns von Gott gemacht haben, werden ändern müssen.
Glaube ist nicht langweilig, sondern etwas unglaublich Spannendes. Gerade der heutige Sonntag, in dem wir den dreifaltigen Gott in den Mittelpunkt stellen, macht uns das deutlich. Ein jeder kann immer wieder etwas ganz Neues bei Gott entdecken. Und diese Gottsuche ist es, die den Glauben lebendig erhält. Niemand ist fertig mit seinem Glauben, es gibt darin Irrwege und Umwege, Durststrecken und Krisen, aber auch Wunder, Ruheorte, breite Straßen, und manchmal sogar Quantensprünge, die uns begreifen lassen, für wenige Sekunden wenigstens, dass Gott da ist, ganz nah, intensiv, spürbar.
So ist es gut, dass es den Dreifaltigkeitssonntag gibt, der uns die Größe Gottes und seine Unbegreiflichkeit bewusst macht, aber auch ein Ansporn ist, sich neu auf die Suche nach Ihm zu machen. Und der erste Schritt dazu ist die Anbetung, das bewusste Verweilen in der Gegenwart Gottes, das Staunen über seine Größe und vor allem über seine Liebe zu uns Menschen. Amen.
P. Herbert Winklehner OSFS