Predigt zum Christkönigssonntag (Joh 18,33b-37)

Ein hochpolitisches Fest

Der Christkönigssonntag ist eigentlich ein sehr politisches Fest. Eingeführt wurde es zum Heiligen Jahr 1925 … also nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, nachdem die Ordnung der Welt, die über Jahrhunderte bestand, völlig zusammengebrochen war. Die Macht der Kaiser und Könige war zu Ende. Die neuen Demokratien wussten nicht so recht, wie sie mit den neuen Machtverhältnissen umgehen sollen. Und wo ein Machtvakuum besteht, beginnen sich natürlich sofort Kräfte zu regen, die diese Macht an sich reißen wollen. Der Ruf nach dem starken Führer wurde laut … die Diktaturen des Nationalsozialismus und Kommunismus begannen mit aller Macht ihre Fühler auszustrecken … Genau in dieser politisch instabilen Lage rief Papst Pius XI. ein Heiliges Jahr aus. Zum Abschluss dieses Heiligen Jahres führte er das Christkönigsfest ein. Das Symbol ist klar: der wahre König, der wahre Herrscher, dem die ganze Macht gehört, ist Jesus Christus.

Im Mittelpunkt des heutigen Evangeliums steht das Verhör durch Pilatus, dem römischen Statthalter von Jerusalem. Ihm war völlig egal, mit welch religiösen Ansprüchen, Lehren oder Visionen dieser Jesus von Nazareth auftritt. Das kannte er mittlerweile zur Genüge. Religiöse Fanatiker liefen damals mehrere herum. Hellhörig machte ihn nur die Anklage, dass dieser Jesus König werden wolle – also die Macht an sich reißen, die nur dem römischen Kaiser zusteht. Genau das, und nur das interessierte Pilatus: „Bist du der König der Juden?“ … Willst du hier eine Revolte anzetteln und die Macht an dich reißen, um sie dem Kaiser wegzunehmen?

Den Ausgang der Geschichte kennen wir. Jesus wurde zum Tod durch das Kreuz verurteilt. Seine Schuld wurde über seinem Kopf angenagelt: „INRI – Jesus von Nazareth, König der Juden“. Und damit war die Sache für Pilatus erledigt. Wieder ein Unruhestifter weniger auf der Welt, der Kaiser wird zufrieden mit ihm sein.

Das Königtum Jesu – sein Machtanspruch ist jedoch ein völlig anderer. Sein Königtum ist nicht von dieser Welt. Ihm geht es nicht um Macht, sondern um die Wahrheit, für die er Zeugnis gibt. Und diese Wahrheit lautet: „Gott ist Liebe“. „Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe. Es gibt keine größere Liebe als die, wenn einer sein Leben gibt für seine Freunde. Bleibt in meiner Liebe. Der Größte und Mächtigste unter euch ist der, der dient“.

Das sind natürlich Aussagen, mit denen Pilatus nichts anfangen konnte. Und letztlich sind diese Aussagen das Dilemma des Christentums bis heute. Wir verkünden eine revolutionäre Botschaft, die im Machtpoker unserer Welt kaum oder gar nicht verstanden wird. Papst Franziskus hat dafür den Begriff „Revolution der Liebe“ geprägt. Und auch der heilige Franz von Sales interpretiert dieses Geschehen ähnlich, wenn er schreibt: „Stellen wir uns … den gütigen Jesus bei Pilatus vor. Wegen seiner Liebe zu uns rissen ihm die Waffenknechte und Schergen alle seine Kleider, eines nach dem andern, vom Leib … Nachher wurde durch den Tod, den er am Kreuze litt, seine Seele ihres Leibes und sein Leib seines Lebens beraubt … Die Liebe vollbrachte das alles.“ (DASal 4,162).

Im täglichen politischen Geschäft hat dies keine Bedeutung. Im Gegenteil: Wer so lebt und handelt wie Jesus Christus, der riskiert in Demokratien den Verlust von Wählerstimmen, in Diktaturen den Verlust seines Lebens, und im alltäglichen kleinen Spiel des Machthabens und Rechthabens riskiert er, belächelt, verspottet, ausgelacht und als weltfremder Fantast an den Rand geschoben zu werden: in der Schule, in der Familie, im Beruf, in der Gesellschaft überhaupt.

Das, so glaube ich, ist die gewaltige Herausforderung, die in diesem Christkönigsfest steckt: Egal, was die Welt auch sagt, wie sie handelt, ich glaube an Jesus Christus. Er ist der Sohn Gottes, seine Botschaft, so lächerlich sie auch bei manchen klingen mag, ist die Wahrheit, die uns frei machen wird.

Das Festhalten an dieser Botschaft wird immer schwieriger. Die vielen Märtyrer des neuen Jahrtausends geben davon Zeugnis. Und genau das ist von uns allen gefordert, die wir an Jesus Christus festhalten: Das Zeugnis – ob gelegen oder ungelegen. Es geht um den Ernstfall unseres Glaubens: Bin ich bereit, auch dann zu Jesus Christus und seiner Botschaft zu stehen, wenn ich dadurch alles verliere und ans Kreuz genagelt werde? Glaube ich dennoch an die Botschaft, die Jesus Christus verkündet hat? Ja, das Christkönigsfest ist ein hochpolitisches Fest. Es geht tatsächlich um eine Revolution – um die Revolution der Liebe. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS