Predigt zum 7. Sonntag der Osterzeit (Joh 17,6a.11b-19)

Jesus: Ich bin das Heil

Der Apostel Johannes ist der Theologe unter den Evangelisten. Das merkt man vor allem im „hohepriesterlichen Gebet“ Jesu, von dem wir heute einen Ausschnitt gehört haben:
„Vater, ich habe deinen Namen den Menschen offenbart … Heiliger Vater bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins sind wie wir.“
Was bedeutet das? Welche Theologie steckt hinter diesen Sätzen?
Dazu muss man wissen, dass der Name im Umfeld Jesu weit mehr war, als dies heute der Fall ist. Der Name war nicht nur ein Unterscheidungsmerkmal für das Geburtsregister, der Name offenbarte das Wesen eines Menschen. Deutlich wird uns das, wenn Namen verändert werden – so wie beim Apostel Petrus: Aus Simon – „Gott erhört“ – wird Kephas, also Petrus, der Fels, das Fundament, auf dem Jesus seine Kirche erbauen will.
Welchen Namen, also welches Wesen hat nun Jesus Christus den Menschen von Gott offenbart? Der Name Gottes lautet seit dem Dornbuschereignis des Mose „Jahwe“ – und das heißt: „Ich bin“. „Ich bin da, ich bin der Seiende, ich bin der, der für euch da ist“. Und welchen Namen hat nun Gott Vater seinem Sohn gegeben? „Jesus“ … das heißt: „Ich bin das Heil, die Rettung“ – also der Heiland.
Im Namen „Jesus“ wird also das Wesen Gottes verdeutlicht. Gott Jahwe – der „Ich bin“ – offenbart sich als „Jesus“ – „Ich bin der Retter für die Welt“.
Wenn man das Johannes-Evangelium ganz liest, dann fällt auf, dass es darin sehr viele „Ich bin“-Aussagen Jesu gibt. Viele davon sind uns sehr geläufig: „Ich bin der gute Hirte“, „der Weinstock“, „das Brot des Lebens“, „das Wasser des Lebens“, „die Tür“, „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ … Durch diese Verknüpfung mit dem „Ich bin“ – dem Gottesnamen „Jahwe“ sind also alle diese Aussagen nichts anderes als Verdeutlichungen, Konkretisierungen des Wesens Gottes selbst. Auf diese Weise hat Jesus Christus den Namen Gottes, sein Wesen, wer Gott für die Menschen ist, verkündet, konkretisiert, verdeutlicht, offenbart und erhellt, damit die Menschen zu Gott und zueinander finden, damit sie eins sind so wie Gott Vater und Gott Sohn.
Das ist wirklich hohe Theologie und somit gar nicht so leicht verstehbar. Ein erster Schritt ist, dass mir bewusst wird, dass im Namen „Jesus“ etwas vom Wesen Gottes zum Ausdruck kommt: „Ich bin der Heiland“: Gott ist es, der heilt, der rettet, Gott schenkt das Leben in Fülle.
Weil im Namen Jesus das Wesen Gottes zu leuchten beginnt, möchte der heilige Franz von Sales, dass wir diesen Namen in unser Herz hineinschreiben. Wir sollen ihn also nicht achtlos aussprechen, sondern verinnerlichen. Dadurch soll das Wesen Gottes selbst in uns zum Leuchten gebracht werden, damit wir die Freude in Fülle in uns haben und damit wir in der Welt Zeugnis geben können von der Wahrheit, also davon, wer Gott in Wahrheit ist: „Er ist der Heiland, der Retter der Welt“.
Die alte Tradition des „Jesus-Gebetes“ bringt dies zum Ausdruck: „Herr Jesus Christus – erbarme dich meiner“. Beim Einatmen bete ich „Herr Jesus Christus“ beim Ausatmen „erbarme dich meiner“. Franz von Sales hat aus diesem Jesus-Gebet sein Herzensgebet „Es lebe Jesus“ gemacht. Jesus – mein Heiland, mein Erlöser, mein Retter – lebe in mir.
Wer dieses heilige Wort „Es lebe Jesus“ in sein Herz geschrieben hat, so war Franz von Sales überzeugt (DASal 1,164), der wird „nur noch Handlungen hervorbringen, denen dieses Heilswort aufgeprägt und eingegraben ist. Wie der geliebte Jesus in deinem Herzen lebt, so wird er auch in deinen Handlungen lebendig sein, wird sein Name geschrieben stehen auf deinen Augen, auf deinem Mund, auf deinen Händen … und du wirst mit dem hl. Paulus sagen können: ‚Ich lebe, aber nicht mehr ich, sondern Jesus Christus lebt in mir‘ (Gal 2,20).“ Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS