Predigt zum 4. Sonntag im Jahreskreis (Lk 4,21-30)

Antrittsrede

Bei jedem Präsidenten oder Kanzler, Bischof oder Papst ist das erste öffentliche Auftreten immer von besonderem Interesse. So etwas Ähnliches haben wir jetzt auch von Jesus gehört. Sein erster öffentlicher Auftritt in seiner Heimatstadt Nazaret. Alle sind gespannt, was Jesus sagen wird, doch was sie hören, entsprach ganz und gar nicht ihren Vorstellungen.

„Heute hat sich das Schriftwort erfüllt, das ihr eben gehört habt“, verkündet der Sohn des Zimmermanns. Das bedeutet nichts anderes als: Ich bin der, auf den ihr seid Generationen gewartet habt. Ich bin der Messias, der Christus, der Gesalbte Gottes, der dazu gekommen ist, Gottes Reich in dieser Welt zu vollenden.

Die Sprengkraft, die in dieser Botschaft steckt, verstehen wir heute kaum noch. Aber damals war das, was Jesus da sagte, in den Ohren der Zuhörer wie eine unerhörte Gotteslästerung. So gesehen ist es eigentlich nur allzu verständlich, dass die Leute in Wut gerieten und Jesus steinigen wollten.

Auch vom heiligen Franz von Sales ist sein erster öffentlicher Auftritt nach seiner Priesterweihe 1593 dokumentiert, seine Antrittsrede als Dompropst. Für diesen Auftritt wurde er allerdings nicht gesteinigt, ganz im Gegenteil: Ihm wurde applaudiert, alle waren von seinen Worten begeistert. Was war seine Botschaft, die er als frisch geweihter Priester verkündete? Zusammengefasst sagte er: Die Verbreitung des christlichen Glaubens darf nicht mit Gewalt geschehen, sondern mit Gebet und mit Liebe (vgl. DASal 10,383-390).

Franz von Sales lebte in der Zeit der Glaubenskriege zwischen der protestantischen Reformation und der katholischen Gegenreformation. Die berühmt-berüchtigte Bartholomäusnacht (1572), in der in Paris tausende Calviner abgeschlachtet und vertrieben wurden, war noch gar nicht so lange her … es folgten in Frankreich die nicht weniger blutigen Hugenottenkriege und einige Jahre später wird es zum Dreißigjährigen Krieg kommen, in der sich die Christen in Europa genauso gegenseitig abschlachteten, wie heute die sunitischen und schiitischen Muslime in Syrien. Der Mensch will eben nicht nur Recht haben, er will, dass dieses Recht auch alle anderen akzeptieren. Tun sie das nicht freiwillig, dann zückt man eben seine Waffen und schlägt mit Gewalt so lange drein, bis der andere entweder aufgibt oder vernichtet ist.

Franz von Sales sagte zu dieser Art des Machtmissbrauchs klar und deutlich: Nein! Das bringt überhaupt nichts. Wenn du einen anderen Menschen wirklich erfolgreich überzeugen willst, dann nützen dir weder Waffen noch Gewalt, sondern nur das Gebet und vor allem die Liebe. Das sagt uns auch der Apostel Paulus, wie wir es in der heutigen Lesung gehört haben, ganz eindringlich: Ohne Liebe kannst du alles vergessen und sei es noch so grandios und gewaltig.

Wenn wir heute nach der Messe wieder nach Hause in unseren Alltag gehen, so könnten wir uns fragen, wie meine persönliche Antrittsrede als Christ in der Welt von heute aussehen könnte. Was will ich als Christ von heute ganz persönlich jenen Menschen, denen ich täglich begegne, meiner Familie, meinen Freunden, meinen Arbeitskollegen, von meinem Glauben vermitteln, auch auf die Gefahr hin, dass ich dabei auf Widerstand stoße. Wofür bin ich bereit, mit meiner ganzen Überzeugungskraft, meiner ganzen Persönlichkeit, meiner ganzen Liebe Zeugnis zu geben in allem, was ich tue, mit allen Konsequenzen, die sich daraus ergeben? Darüber einmal intensiver nachzudenken, könnte durchaus sinnvoll sein. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS