Predigt zum 4. Sonntag der Osterzeit (Joh 10,11-18)
Der gute Hirte: Das Pastoralkonzept Jesu
Jesus Christus liefert uns im heutigen Evangelium sein Pastoralkonzept. Es sind damit letztlich die zeitlos gültigen Kriterien, an denen sich die Seelsorge der Kirche, einer Diözese, einer Pfarrgemeinde zu messen hat:
Der Leitsatz, den sich Jesus Christus gibt, lautet: „Ich bin der Gute Hirte“. Und dieses Motto hat folgende praktische Konsequenzen:
Für mein Handeln ist nicht das Geld entscheidend, sondern die Hingabe und Opferbereitschaft.
Es geht mir vor allem darum, dass wir einander kennen, so wie der Vater den Sohn und der Sohn den Vater kennt.
Und es geht darum, hinauszugehen, damit auch jene meine Stimme hören, die noch nicht dazugehören. Es geht also um die Bereitschaft, sein Leben zu opfern, damit Leben möglich ist. In dieser Hingabe für die anderen besteht die wahre Macht.
In unserem Papst Franziskus haben wir derzeit einen Papst, der uns genau auf dieses Pastoralkonzept Jesu hinweist – nicht nur in seinen Rundschreiben, sondern vor allem durch sein äußergewöhnliches Handeln, das die Menschen fasziniert. Er zeigt uns damit, wie wichtig es ist, dass wir als Christen vor allem gute Hirten sind. Das ist unsere Mission, das wirkt anziehend, das ist revolutionär im Sinne Jesu. Es ist seine Revolution der Liebe und Barmherzigkeit. Klar ist, dass eine solche Revolution auf Kritik stößt und stoßen muss. Das war bei Jesus so, das ist es auch bei Papst Franziskus.
Auch der Heilige Franz von Sales war ein Bischof, der sich den „Guten Hirten“ zum Vorbild genommen hat. Er hat dies sogar allen sichtbar gemacht, in dem er seinen Bischofsstab mit dem guten Hirten Jesus Christus verzieren ließ. Jeder konnte dadurch sehen, dass er für die Menschen seiner Diözese ein guter Hirte sein wollte. Ihm ging es nicht um Macht, Ansehen oder Geld geht, sondern um Hingabe. Er wollte die Frauen und Männer seiner Diözese kennenlernen, jeden einzelnen – und er ging hinaus zu jenen Orten, wo vorher noch nie ein Bischof gewesen ist, damit auch sie seine Stimme hören. Und er war bereit, sein Leben für die Botschaft Jesu zu opfern. Sein Martyrium war aber nicht das Martyrium des Blutes, sondern das Martyrium der Liebe: Die Liebe Christi drängte ihn zu den Menschen, die Liebe Christi ließ ihn allen alles werden. Um für die Menschen da zu sein, achtete er viel zu wenig auf seine Gesundheit. Die letzten zehn Jahre seines Lebens litt er zum Beispiel an einer offenen Beinwunde, die deshalb nie richtig verheilte, weil er seine Füße nie zur Ruhe kommen ließ.
Ein Beispiel aus einem Brief macht uns den seelsorglichen Eifer des heiligen Franz von Sales deutlich. In einem entlegenen Bergdorf wurde ihm von einem Hirten berichtet, der seine entlaufene Kuh suchen ging und dabei in eine Gletscherspalte fiel und erfror. Und Franz von Sales rief aus: „O Gott, … war der Eifer des Hirten für die Suche seiner Kuh so heiß, dass dieses Eis ihn nicht abgekühlt hat? Warum also bin ich so lau auf der Suche nach meinen Schäflein? Sicher, das hat mich erschüttert, und mein ganz eisiges Herz ist etwas geschmolzen. Ich habe Wunderbares in diesen Gegenden gesehen: Täler voll Häusern und Berge voll Eis bis in die Täler hinab. Kleine Witwen, kleine Dorfbewohner, ähnlich den niedrigen Tälern, sind so fruchtbar, und Bischöfe, die in der Kirche Gottes so hoch erhoben werden, sind eiskalt. Ach, findet sich denn keine Sonne, stark genug, um das Eis zu schmelzen, in dem ich erstarre?“ (DASal 5,121)
Wir sind noch keine Heiligen, und wir sind auch keine Bischöfe, dennoch ist eine jede und ein jeder von uns, dort wo er lebt und arbeitet, zu einem gewissen Teil eine Hirte für die christliche Botschaft in der Welt von heute. Um uns daran zu erinnern, könnten wir uns immer wieder einmal folgende drei Fragen stellen:
Habe ich durch mein Tun Gott gelobt?
Habe ich durch mein Tun Zeugnis gegeben für Gott?
Habe ich durch mein Tun Gottes Liebe spürbar werden lassen?
Es sind drei Fragen für ein gutes christliches Pastoralkonzept und drei Fragen für ein gutes Programm in der Nachfolge Jesu, unseres Guten Hirten. Amen.
P. Herbert Winklehner OSFS