Predigt zum 4. Fastensonntag (Joh 9,1. 6-9. 13-17. 34-38)

Gottes Nähe ist heilsam

So haben wir uns die Fastenzeit wohl alle nicht vorgestellt: das gesamte öffentliche Leben wird heruntergefahren auf das Minimum, auf das absolut Notwendige. Für jeden einzelnen gilt: Abstand halten, Hände waschen, Zuhause bleiben.

Die Regierungen teilen uns mit, was wir dürfen und was nicht, und wir vertrauen darauf, dass all diese einschneidenden Maßnahmen, diese Einschränkungen des alltäglichen Lebens auf das unbedingt Wesentliche sinnvoll und hilfreich sind, um uns und andere vor der Ansteckung durch das Virus zu schützen, zumindest vor dessen schlimmsten, nämlich tödlichen Folgen gerade für die Alten und die Kranken.

Für mich persönlich ist all das, was wir gerade erleben, auch eine spirituelle Erfahrung. Vieles, was noch vor wenigen Wochen undenkbar war, ist plötzlich Realität. Und eigentlich weiß noch niemand so wirklich, wie lange diese Ausnahmesituation noch dauern wird und vor allem, welche Auswirkungen all das auf das soziale, wirtschaftliche und kirchliche Leben tatsächlich haben wird.

Im heutigen Evangelium öffnet Jesus Christus einem Blindgeborenen die Augen. Er tut es mit einem ziemlichen Aufwand, mit Erde und Speichel und einer rituellen Waschung im Teich Schiloach.

Wir können dieses Evangelium zum Anlass dafür nehmen, Gott darum zu bitten, uns und der ganzen Welt sehr rasch die Augen zu öffnen, damit wir diese Situation, in der wir uns gerade befinden, besser verstehen können, richtig reagieren, uns richtig verhalten und all jene, die sich damit auskennen, möglichst bald ein Gegenmittel finden, das wirkungsvoll hilft, das Virus zu bekämpfen.

Für uns, die wir mit dieser Situation zu leben haben, können wir bitten, dass uns nicht der Mut verlässt und dass in uns das Vertrauen lebendig bleibt, dass unser Gott Jesus Christus die Lage im Griff hat. Im heutigen Evangelium wird Jesus Christus als „Prophet“ bezeichnet, und vor allem als „Menschensohn“. Beide Begriffe weisen darauf hin, dass Jesus nicht irgendein Scharlatan ist, der den Menschen irgendwelche Verrücktheiten unterschieben will, sondern der von Gott gesandte Christus, der Retter und Erlöser.

Der heilige Franz von Sales lebte dieses Gottvertrauen in jeder Lebenslage und er vermittelte dies auch allen Menschen, die er seelsorgerlich betreute. Zu seiner Zeit gab es in Europa regelmäßig Bürgerkriege, Seuchen und Hungersnöte. Seine Devise lautete immer: „Nur nicht den Mut verlieren“ und „halten Sie sich ganz nahe beim Heiland, denn sein Schatten ist heilsam.“ (DASal 6,371). Vor ihm brauchen wir keinen Abstand zu halten.

Das Interessante bei der Heilung des Blindgeborenen ist übrigens, dass es eine der ganz wenigen Heilungen ist, in der Jesus von sich aus die Initiative ergreift. Nicht der Blinde kommt auf Jesus zu und bittet um Heilung. Auch fragt Jesus ihn nicht, was willst du, dass ich dir tun soll. Jesus sieht den Blinden und beginnt mit der Heilung. Die Aufgabe des Blinden ist es, einfach zu gehorchen und alles mit ihm geschehen zu lassen, im Vertrauen darauf, dass das, was Jesus befiehlt, auch wirklich gut ist und die Augen öffnet.

Halten wir uns also ganz nahe am Herrn. Intensivieren wir unsere Gebete, denken wir an seine liebende Gegenwart und verlieren wir nicht den Mut. Gott weiß, was er tut. Vielleicht kann dazu folgendes Gebet hilfreich sein:

 

Guter Gott,

wir sollen voneinander Abstand halten.

So lautet derzeit die Anordnung der Regierung.

Es dient zu unserem Schutz.

Ich weiß nicht,

was die Situation, die wir gerade erleben, bedeutet.

Aber eines wird mir in dieser Zeit wieder bewusst:

Den Abstand zu dir, den soll ich verkleinern.

Ich darf mich ganz in deinen Schatten bergen.

Und diese Nähe ist heilsam.

Sie schenkt mir Mut und Geborgenheit.

Nicht nur für mich persönlich, sondern für all jene Menschen, an die ich jetzt besonders denke und die ich dir jetzt ans Herz legen möchte: …

Schenke allen deine Nähe,

denn diese ist heilsam.

Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist.

Wie im Anfang so auch jetzt uns alle Zeit und in Ewigkeit. Amen.

 

P. Herbert Winklehner OSFS