Predigt zum 31. Sonntag im Jahreskreis (Lk 19,1-10)

Die Zachäus-Methode

Die Erzählung vom Zöllner Zachäus ist in der Kirchengeschichte nicht nur sehr bekannt und beliebt, sie kann uns auch in unserem eigenen Leben mit uns selbst, mit unseren Mitmenschen und mit Gott durchaus weiterhelfen.

Zachäus ist ein kleiner Mann, der sich groß machte, in dem er die anderen ausbeutete. Den anderen klein machen, damit ich selbst groß bin, das gibt es häufig. Im Kleinen, wie im Großen. Durch Zachäus wird uns jedoch deutlich gezeigt: diese Methode ist falsch. Sie entspricht ganz und gar nicht der Botschaft Jesu.

Zachäus hatte nun das Glück, dass in ihm noch ein Funke Neugierde für Jesus Christus und seiner Botschaft vorhanden war: „Er suchte Jesus, um zu sehen, wer er sei“. Um also herauszufinden, ob ich in meinem Leben auf dem richtigen Weg bin oder nicht, muss ich mich auf die Suche nach Jesus machen, ich muss mich mit Jesus beschäftigen, damit ich weiß, wer er überhaupt ist und was er überhaupt will. Jesus zwingt mich dazu nicht, aber er braucht ein Signal meiner Bereitschaft für ihn. Manchmal genügt dafür ein einfaches Wort. So wie etwa beim blinden Bartimäus: „Jesus, hab Erbarmen mit mir“ (Mk 10,47). Manchmal aber braucht es mehr Anstrengung, zum Beispiel einen Baum hinaufklettern, um Jesus zu sehen, wie bei Zachäus.

Jesus ist es dann, der auf mich zugeht, mich anschaut und sich in mein Leben einlädt: „Ich muss heute in deinem Haus bleiben“. Jetzt kommt es wieder auf mich an: Bin ich bereit, mein Leben zu öffnen, damit Gott bei mir einziehen kann?

Zachäus ist bereit – und noch mehr: er ändert sich vierfach, also radikal, vollständig. Umkehr – Bekehrung – Umdenken – eine Revolution: das ist es, was Jesus Christus bewirkt. Wenn Jesus in mein Leben einzieht, dann wird mir klar: Meine Aufgabe besteht nicht darin, die anderen klein zu machen, damit ich groß bin. Das genau Gegenteil ist der Fall: Groß werde ich, in dem ich die anderen groß mache, größer als mich selbst.

Dadurch entsteht Glück: „Heute ist diesem Haus Heil geschenkt worden“.

Der Schlusssatz des heutigen Evangeliums will uns nun allen deutlich machen, dass Gott nur das Beste für uns will: „Der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist.“

Der heilige Franz von Sales versucht genau diesen Gedanken immer wieder jenen Menschen beizubringen, die er geistlich begleitete. So schreibt er einer Frau:

„Ich verstehe wirklich nicht, wie Seelen, die sich der göttlichen Güte hingegeben haben, nicht immer fröhlich sind, denn gibt es ein Glück gleich diesem? Auch die Unvollkommenheiten, die Ihnen unterlaufen, sollen Sie nicht verwirren, denn wir wollen sie ja nicht nähren und wollen niemals Vergnügen an ihnen finden. Bleiben Sie also recht in Frieden und leben Sie in Sanftmut und Herzensdemut“ (DASal 6,274).

Sich Gott öffnen und in mein Leben einlassen, hat aber auch Konsequenzen für meine Lebensgestaltung. Ich kann nicht mehr so tun, als würde Gott in meinem Leben keine Rolle spielen. Ich kann Gott und seine Botschaft nicht mehr ignorieren oder links liegen lassen. Im Gegenteil, es bedeutet auch weiterhin: Suche – Offenheit – Umdenken und Neuanfangen. Es bedeutet weiterhin die Zachäus-Methode – und wir sind dazu jeden Tag von neuem eingeladen: jeden Tag neu Gott suchen – jeden Tag neu für ihn offen sein – jeden Tag wieder von neuem umdenken und neuanfangen.

„Man muss immer wieder beginnen“, sagt auch der heilige Franz von Sales, „und zwar gerne wieder beginnen“ (DASal 5,272). Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS