Predigt zum 3. Sonntag der Osterzeit (Joh 21,1-14 )

Werk der Barmherzigkeit: Tote begraben

Der Tod kennt keinen Terminkalender. Er kommt immer ungelegen. Und im Angesicht des Todes wird der Mensch eigentlich immer wesentlich. Unwichtiges, Oberflächliches verliert plötzlich seine Bedeutung.

Als der heilige Franz von Sales die Nachricht vom Tod seines Vaters erhielt, wollte er gerade die Kanzel für die Predigt besteigen. Am Ende seiner Predigt teilte er dann den Zuhörern die Nachricht mit und bat, ihn für zwei, drei Tage zu entschuldigen, damit er seinem Vater „die letzte Ehre erweisen könne“. Und das tat er dann auch. Er ließ alles liegen und stehen, machte sich auf, in seinen Heimatort, um seinen Vater zu begraben.

„Jemandem die letzte Ehre erweisen“ – genau diese Worte machen deutlich, warum Tote begraben im Christentum seit jeher ein Werk der Barmherzigkeit ist. Wir Christen glauben nämlich daran, dass nicht nur der Geist oder die Seele sondern der ganze Mensch, mit Leib und Seele, ins ewige Leben hinübergeht.

Das heutige Evangelium liefert uns dafür eine biblische Grundlage. Jesus Christus erscheint nach der Auferstehung seinen Jüngern am See von Tiberias. Und das Hauptthema bei dieser Begegnung ist interessanterweise das Essen. „Meine Kinder, habt ihr nicht etwas zu essen?“ war die erste Frage Jesu an seine Jünger. Und als sie verneinten, befahl er ihnen, noch einmal fischen zu gehen. Am Lagerfeuer bereitet Jesus Fisch und Brot vor. Und nach dem reichen Fischfang lädt Jesus seine Jünger ein: „Kommt und esst!“ Und keiner wagte mehr zu fragen, wer er sei, denn offenbar erkannten sie an der Art und Weise, wie sie zum Essen eingeladen werden, dass es der Herr war. Und es war nicht das erste Mal, dass das Essen eine wesentliche Rolle nach der Auferstehung spielte. Das war bei den Emmausjüngern so, das war im Abendmahlssaal in Jerusalem so und es ist auch jetzt so.

Jesus war es offenbar ein sehr großes Anliegen, seinen Jüngern durch das Essen deutlich zu machen: Ich bin kein Geist, kein Gespenst, keine Halluzination, sondern ich bin da, ganz, mit Leib und Seele. Ich esse sogar mit euch: Brot und Fische.

Und genau deshalb erweisen wir Christen einem jeden Toten die Ehre. Wir verabschieden uns von ihm in Würde, weil wir an die Auferstehung des ganzen Menschen, mit Leib und Seele glauben. Jesus Christus hat durch seine Menschwerdung den ganzen Menschen angenommen und durch seinen Tod und seine Auferstehung den ganzen Menschen, mit Leib und Seele erlöst. Der Leichnam ist daher kein Abfallprodukt, das aus hygienischen Gründen entsorgt werden muss, sondern gehört wesentlich zur Gesamtheit des Menschen dazu.

Alle Werke der Barmherzigkeit wollen uns deutlich machen: Was auch immer du deinem Bruder, deiner Schwester getan oder nicht getan hast, das hast du Jesus Christus getan oder nicht getan. In allen Werken der Barmherzigkeit begegnen wird Jesus Christus persönlich, also auch in jedem Leichnam, den wir zu Grabe tragen.

So schließe ich mit einem Wort unseres Pfarrpatrons Franz von Sales, das mir in diesem Zusammenhang sehr gut gefällt und wir uns merken können:

„Habt keine Angst, dass ihr durch den Tod alles verliert. Die Liebe Gottes zerstört nicht, sie vollendet alles.“ – also: Die Liebe Gottes vollendet den ganzen Menschen mit Leib und Seele. Das Gastmahl des ewigen Lebens ist für uns alle vorbereitet. Amen.

Herbert Winklehner OSFS