Predigt zum 29. Sonntag im Jahreskreis (Lk 18,1-8)
Allzeit beten und daran glauben
Das Gleichnis, das Jesus da heute erzählt, klingt nicht nur in unseren Ohren ziemlich verrückt, für seine Zuhörer damals muss das völlig abwegig gewesen sein. Ein mächtiger Richter, der noch dazu Gott nicht fürchtet, noch auf irgendjemandem Rücksicht nimmt, soll bereit sein, gerade einer Witwe zu helfen, weil er vor ihr Ruhe haben will und – noch witziger – Angst vor ihren Ohrfeigen hat. Eine Witwe ohne männlichen Beistand war zur damaligen Zeit völlig hilf- und rechtlos. Eine alleinstehende Frau hatte keinerlei Anspruch vor dem Gesetz. Völlig überzeichnet wirkt die Angst des Richters, die Frau könnte ihn ohrfeigen. Würde sie das tun, wäre sie schneller im Gefängnis, als sie schauen kann.
Nein, dieses Beispiel Jesu stimmt hinten und vorne nicht … Und genau deshalb haben die Zuhörer wahrscheinlich ganz genau verstanden, was Jesus mit dieser verrückten Geschichte sagen wollte: Wenn es tatsächlich einen Richter gibt, der noch dazu böse und ungerecht ist, der sich von einer armseligen Witwe breitschlagen lässt, um ihr zu helfen … um wie viel leichter muss das dann bei Gott möglich sein, wenn wir ihn um seine Hilfe bitten. Und Jesus sagt das ja auch: „Gott wird ihnen unverzüglich ihr Recht verschaffen“.
Der springende Punkt bei dieser ganzen Angelegenheit ist allerdings ein ganz anderer, nämlich: Glaubt ihr das überhaupt? Glaubt ihr überhaupt noch daran, dass euer Gebet, euer Schreien, eure Klagen von Gott erhört werden … Glaubt ihr überhaupt noch daran, dass Beten etwas bringt?
Das ist die Frage, die Jesus damals stellt, und er stellt sie genauso uns hier und jetzt und heute. Und da sind wir nun bei einer ebenso verrückten, aber wahren Geschichte, die vor einigen Wochen bekannt wurde. 2011 wurde ein Pinguin, verletzt und völlig entkräftet, von einem Fischer am Strand von Rio de Janeiro entdeckt und gerettet. Seither kommt er jedes Jahr von der Südspitze Argentiniens, um seinen Retter für ein paar Wochen zu besuchen. 4.000 Kilometer hin, und 4.000 Kilometer wieder zurück … 8.000 Kilometer schwimmt der Pinguin also jedes Jahr, damit er seinen Retter wieder sieht. Diese Treue fasziniert die Menschen offenbar. Jedenfalls ging diese Geschichte durch die Medien und das Internet.
Was hat das nun alles mit dem Beten zu tun – und mit der Frage, ob wir noch an die Kraft des Gebetes glauben? Gebet ist Beziehung, Kommunikation mit Gott. Im Gebet, so sagt der heilige Franz von Sales, vereinige ich meine Seele mit Gott und Gott haucht mir seinen Geist ein, damit ich Kraft für mein Leben erhalte und mich den Herausforderungen des Lebens stellen kann. Der ständige Kontakt mit Gott, die ständige Beziehung mit ihm, das ständige Bewusstsein, dass ich in Gottes Gegenwart lebe, ist heilsam, nahrhaft, kräftigend, tröstend und hilfreich. Es steht uns vollkommen frei, diese Kraftquelle Gebet anzunehmen. Gott zwingt uns nicht, er bietet uns seine Gegenwart an. Es liegt an uns, dieses heilsame Geschenk zu nützen – und zwar jeder Zeit, bei Tag und Nacht, an jedem Ort, bei jeder unserer Tätigkeit.
Wenn es tatsächlich möglich ist, dass ein Pinguin jedes Jahr 8000 Kilometer schwimmt, um bei einem brasilianischen Fischer zu sein, so muss es doch möglich sein, dass wir Christen, die wir keine 4000 Kilometer zurücklegen brauchen, um Gott unseren Dank und unsere Treue zu versichern, also dass wir Christen allezeit, an jedem Ort, immer und überall mit Gott kommunizieren … und ich glaube, wir haben allen Grund dazu, das auch tatsächlich zu tun. Denn Jesus hat uns gerettet, in dem er sich für uns am Kreuz geopfert hat.
Allzeit beten … das ganze Leben zum Gebet machen … auch das mag verrückt klingen. Jesus scheint es aber ernst zu meinen. Er empfiehlt uns das immerwährende Gebet und lädt uns dazu ein … und ich persönlich glaube tatsächlich daran, dass es hilft. Amen.
Herbert Winklehner OSFS