Predigt zum 28. Sonntag im Jahreskreis (Mk 10,17-30)

Die Suche nach dem ewigen Glück

Was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen? Wann habe ich diese Frage eigentlich zum letzten Mal gestellt? Bzw. habe ich diese Frage überhaupt schon jemals irgendwann gestellt?

Eine andere Frage liegt uns da wahrscheinlich näher, nämlich: Was muss ich tun, um glücklich zu werden? Die Suche nach dem ewigen Glück klingt jedenfalls viel zeitgerechter als die Suche nach dem ewigen Leben … Biblisch jedoch ist das ein und dasselbe. Jesus ist ja gekommen, damit wir das Leben haben – und zwar das Leben in Fülle, also ein glückliches Leben und das in Ewigkeit.

Was also muss ich tun für mein ewiges Glück? Die Antwort des Evangeliums ist klar und einfach – und daher so furchtbar schwer. Sie lautet nämlich: Halte dich an die Gebote! Und genau da wird es schwierig, weil wir uns ja kaum daran halten: Wir Menschen zerstören und töten die Schöpfung. Das Thema Sexualität ist sowieso aus dem Gebotskatalog gestrichen. Hier darf jede und jeder machen, was er oder sie will. Von Korruption, Steuerhinterziehung, Wirtschaftskriminalität und Ausbeutung hören wir fast jeden Tag in den Nachrichten. Gleiches gilt von unserem Umgang mit der Wahrheit: Fake News heißt die neue Methode der Lüge. Und die Sorge um die Alten, Kranken, Pflegebedürftigen lässt auch mehr und mehr zu wünschen übrig. Abschieben ist uns bei weitem lieber.

Wer also kann heute wirklich behaupten: „Meister, all diese Gebote habe ich von Jugend an befolgt?“ Vom viel radikaleren zweiten Teil des Evangeliums – „Verkaufe alles, was du hast, gib das Geld den Armen und du wirst einen bleibenden Schatz im Himmel haben“ … von dieser wirklich radikalen Jesus-Nachfolge sind wir eigentlich noch ziemlich weit entfernt. Erschrecken darüber dürfen wir aber trotzdem und zueinander sagen: „Wer kann da überhaupt noch glücklich werden?“ – Und wir dürfen uns auch von der Hoffnung anstecken lassen, die Jesus zum Schluss des heutigen Evangeliums zum Ausdruck bringt: „Für Menschen ist das unmöglich, aber nicht für Gott, denn für Gott ist alles möglich.“

Also noch einmal von vorne: Was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen? Zuerst sollte mir überhaupt wieder klar werden, dass das Ewige Leben mein Ziel ist, auf das ich hinstrebe. „Wie trügerisch ist doch dieses Leben und wie wünschenswert die Ewigkeit!“ schreibt der heilige Franz von Sales in einem Brief. „Selig [also glücklich] jene, die sie ersehnen!“ (DASal 6,224).

Und jeder Tag ist ein neuer Tag, um mich auf den Weg zu diesem Ziel zu machen, in dem ich eben heute versuche, die Gebote Gottes einzuhalten, denn sie sind meine Werkzeuge zum wahren Glück. Und wenn ich es heute geschafft habe, dann versuche ich es morgen wieder, und ist es mir heute nicht gelungen, dann schaue ich eben, dass es mir mit Gottes Hilfe morgen gelingt. „Man muss jeden Tag anfangen, Gutes zu tun.“ (DASal 12,365) empfiehlt der heilige Franz von Sales. Aufgeben oder Stehenbleiben wäre jedenfalls die schlechteste Lösung, ebenso zu meinen, dass das alles ja weltfremd, altmodisch oder überholt ist.

Was wäre ein erster Schritt, um glücklich zu werden? Ein erster Schritt wäre, dass ich mir vornehme, wirklich jeden Sonntag die Heilige Messe zu feiern … denn sie ist die „Sonne der geistlichen Übungen … der Mittelpunkt der christlichen Religion“ (DASal 1,90). Dort höre ich das Wort Gottes, das im Lärm des Alltags so leicht verschwindet. Dort begegne ich Gott in Fleisch und Blut.

Ein zweiter Schritt könnte dann sein: Ich versuche, Gott in meinen Alltag hereinzuholen, in dem ich mir seine Gegenwart bewusst mache. Er ist da, wie die Luft, die ich atme. „Es gibt keinen Ort und kein Ding, wo er nicht wirklich gegenwärtig wäre“ (DASal 1,73).

Und der dritte Schritt: Ich sage mir: Nur für heute will ich dieses Gebot erfüllen … Nur für heute … und morgen eben versuche ich es erneut, den Weg der Gebote einzuhalten. Der heilige Franz von Sales rät uns: „Erinnern Sie sich daran, dass Sie … jeden Tag … sprechen sollen: Nun will ich anfangen, meinen Gott von Herzen zu lieben“ (DASal 5,65).

Und schließlich erinnere ich mich an den rechten Schächer am Kreuz. Er ist der Mörder, der zu Jesus sagte: „Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst“ (Lk 23,42). … Und ich hoffe, dass er mich rettet, wenn ich das letzte Mal die Augen schließe, dass er mir das Ewige Glück schenkt, weil ich mich jeden Tag von neuem bemüht habe, ihm nachzufolgen. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS