Predigt zum 28. Sonntag im Jahreskreis (Lk 17,11-19)

Danke, Gott, dass du da bist

Jesus Christus war kein Sozialpolitiker und es ging ihm auch nicht darum, das Gesundheitswesen seines Landes zu reformieren. Seine Botschaft, für die er lebte, litt und starb, finden wir in den ersten Worten, die Jesus laut dem ältesten Evangelium nach Markus sprach: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe.“ Oder ein wenig anders formuliert: „Leute, begreift endlich, Gott ist da, er lebt mitten unter euch.“

Dafür gibt es ganz besondere Beweise, Zeichen und Wunder. „Lahme gehen, Stumme reden, Blinde sehen, Aussätzige werden rein …“ – und es hat besondere Konsequenzen für das praktische Leben der Menschen, zusammengefasst in dem einen Hauptgebot der Liebe. „Liebe Gott, liebe deinen Nächsten, wie dich selbst“. Ohne Gott lebt man eben anders als mit Gott. Der Mensch soll also nicht so handeln, als würde es Gott nicht geben, er soll sich vielmehr – wie es uns auch der heilige Franz von Sales ständig empfiehlt – immer und überall bewusst sein, dass Gott da ist, sein Leben begleitet, und entsprechend danach handeln.

Genauso ist diese Erzählung von den zehn Aussätzigen zu verstehen, von der wir gerade eben gehört haben. Und wir dürfen uns durchaus mit diesen zehn Aussätzigen identifizieren. Eine jede, ein jeder von uns ist damit gemeint, eine jede, ein jeder mit seinen und ihren je eigenen Familienverhältnissen, Berufen, Freundeskreisen, Gefühlen, Gedanken und Vorstellungen, so wie sie eben im ganz normalen Leben vorkommen. Eine jede und ein jeder von uns, wie er und sie vor Gott hintritt und in den unterschiedlichsten Anliegen bittet: „Jesus, Meister, hab Erbarmen mit mir.“

Und dann kommt es eben zum springenden Punkt der Erzählung: Allen zehn hat Jesus geholfen, neun von diesen zehn sind dann einfach wieder in ihr normales Leben zurückgekehrt, so als wäre das das Selbstverständlichste auf der Welt, ein einziger aber kehrt um und sagt Danke.

Ein einziger hat begriffen, dass er nicht nur einfach gesund geworden ist, sondern dass da weit mehr passiert ist, nämlich Gottesbegegnung, die spürbare Erfahrung: Gott ist da, mitten unter uns, ich kann daher nicht einfach so dahinleben wie bisher, kann einfach nicht so einfach zur Tagesordnung übergehen, sondern ich muss umkehren und Danke sagen.

Die kleine kritische Spitze, die Jesus Christus für seine Jüngerinnen und Jünger bereithält, sollte man dabei auch nicht übersehen. Zum Schluss heißt es nämlich: Und dieser eine stammte aus Samarien … Für die Menschen damals hieß das so viel wie: Und dieser eine war eigentlich ein Ungläubiger, also einer, der eigentlich gar nicht richtig an Gott glaubt. Genau dieser eine hat begriffen, worum’s geht. Gerade der Ungläubige, der Gottlose kehrt um und begreift: Das Reich Gottes ist da, Gott lebt mitten unter uns.

Wann habe ich Gott das letzte Mal gedankt, dass er bei mir ist und mein Leben begleitet? Wir alle haben Glück: Wir tun es nämlich gerade jetzt in diesem Augenblick, weil wir zu den zehn Prozent der Katholiken gehören, die am Sonntag miteinander Eucharistie feiern: Und Eucharistie heißt Danksagung … wir danken Gott, dass er mitten unter uns gegenwärtig ist mit seinem Fleisch und Blut. Also ganz konkret: spürbar, sichtbar, lebendig.

Gott ist aber nicht nur in der Heiligen Messe gegenwärtig, sondern auch im ganz normalen Alltag. Ich wiederhole noch einmal, was uns der heilige Franz von Sales so oft gesagt hat: „Ich würde mir die allergrößte Mühe geben, alles, was ich tue, in Gottes Gegenwart zu tun und zwar mit aller Demut und Liebe, deren ich fähig bin.“ Und da muss ich mir selbst immer wieder mal eingestehen, dass ich im ganzen Getriebe völlig auf Gott vergesse. Die Zeit vergeht so schnell und schon sind wieder einige Stunden vergangen, in denen ich überhaupt nicht an Gott gedacht habe, aber das macht nichts. Es gibt genug Zeichen und Zeiten, die mir Gottes Gegenwart in Erinnerung rufen: ein Kreuz, ein Kirchturm, eine Kapelle, der Morgen, der Abend, die Mahlzeiten, eine Begegnung, …. Ich muss mir nur immer wieder klar machen, dass es diese Zeichen wirklich gibt und dass mir hier Gott tatsächlich nahe sein will. „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe.“ Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS