Predigt zum 24. Sonntag im Jahreskreis (Mk 8,27-35)

Ihr aber, für wen haltet ihr mich?

„Jesus war Gott. Er hielt aber nicht daran fest, Gott zu sein, sondern er erniedrigte sich und wurde Mensch, ja noch mehr, er wurde der Sklave der Menschen. Er war gehorsam bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuz“ (vgl. Phil 2,6-8).

Diese wenigen Sätze sind die ältesten Aussagen, die wir über Jesus Christus besitzen. Überliefert sind sie uns vom Apostel Paulus in seinem Brief an die Philipper, die er jedoch selbst von den ersten Christen übernommen hat.

„Für wen halten mich die Menschen?“ Diese Frage hat nicht nur Jesus zu seinen Lebzeiten beschäftigt, sie beschäftigt die Welt bis heute – und es gibt da wahrlich die verrücktesten Antworten, verrückter als die, die im Evangelium genannt sind: er sei der Profet Elija oder der wiederauferstandene Johannes. Selbst diejenigen, die Jesus heute als reine Erfindung abtun oder ihn als Scharlatan und Sektenprediger verspotten, müssen sich aber eingestehen: Niemand anderer prägte die Menschheit in den letzten zweitausend Jahren mehr als dieser Mann aus Nazareth. Und dieses Phänomen ist eigentlich nicht erklärbar. Die Voraussetzungen dafür waren ja denkbar ungünstig: das Land, in dem Jesus lebte, war weltpolitisch bedeutungslos. Er war ein Gekreuzigter, also ein Schwerverbrecher. Die Menschen, die ihm folgten, gehörten nicht zur Elite, sondern kamen aus der Unterschicht der Gesellschaft. Und so etwas wie ein Internet oder Soziale Netzwerke gab es nicht, wo selbst die unbedeutendste Nachricht mit Knopfdruck weltweit verbreitet werden konnte.

Selbst der größte Jesus-Kritiker muss also anerkennen: So etwas ist nicht zu erklären – wir Christen nennen das ein Wunder.

Das heutige Evangelium weist uns allerdings darauf hin, dass all das gar nicht das Entscheidende ist. Viel wichtiger ist nämlich die Frage: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ Viel wichtiger ist also meine persönliche Haltung, Einstellung und Meinung zu Jesus Christus. Es geht also um mein persönliches Zeugnis, um mein Bekenntnis: Jesus, wer bist du für mich?

Petrus hat es vorgemacht und kurz darauf gleich wieder einen Rückschritt gesetzt, als er hörte, dass Jesusnachfolge nicht gleich bedeutend ist mit der Gewinnerstraße – sondern die Bereitschaft beinhaltet, sein Leben um Jesu willen zu verlieren: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach!“

Eine solche Botschaft lässt eigentlich noch mehr darüber Staunen, dass sie sich bis heute gehalten hat. Das, was uns Jesus anbietet, ist nicht Geld, Macht, Ansehen, Reichtum, Ruhm, Ehre und Erfolg – sondern das Kreuz und die Sicherheit, dass damit dein Leben gerettet wird. Alles andere ist vom Teufel, alles andere hat nicht das im Sinn, was Gott will.

Es ist also lebensrettend, sich darüber Gedanken zu machen, wer Jesus für mich ist. Helfen können uns dabei die Gedanken des heiligen Franz von Sales, der in seiner Betrachtung über Jesus Christus schrieb:

„Erwäge die Liebe, mit der Jesus der Herr so viel gelitten [hat] … Diese Liebe schaute dich an und erlangte … für dein Herz … alles Notwendige, um [dich] zu nähren [und] zu stärken … Wie tief müssen wir das unserem Gedächtnis einprägen! … Er hat an jeden von uns gedacht, als ob er sich um alle anderen nicht kümmerte. ‚Er hat mich geliebt‘, sagt der hl. Paulus, ‚und hat sich für mich hingegeben‘ (Gal 2,20) … Das musst du deiner Seele tief einprägen“ (Philothea V,13).

Durch Jesus Christus wurde auf einzigartige Weise deutlich, dass Gott den Menschen liebt, und alles dafür tut, damit er sein Ziel erreicht, das ewige Leben in der liebenden Gegenwart Gottes – und das ohne Unterschied und Ansehen der Person. Ich bin von Gott geliebt! Diese Botschaft war eine Revolution und hat die Welt bis heute verändert. Und diese Prägung wird bleiben, bis in alle Ewigkeit. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS