Predigt zum 24. Sonntag im Jahreskreis (Lk 15,1-10)
Gott heißt jeden herzlich willkommen
Heute dürfen wir am menschenfreundlichen Gottesbild Jesu Christi teilhaben. Wir dürfen erkennen, dass eine herzliche Willkommenskultur ein wesentlicher Bestandteil seiner Heilsbotschaft ist.
„Zöllner und Sünder“ waren zur Zeit Jesu so ziemlich das Letzte, mit dem die gutbürgerliche Gesellschaft zu tun haben wollte. Die Zöllner waren diejenigen, die einem den schwer verdienten Wohlstand wegnehmen und in die eigene Tasche stecken wollten. Die Sünder respektierten die religiösen Werte nicht, die die Grundfeste der jüdischen Kultur darstellten. Im gesellschaftlichen Ranking noch weiter unten platziert waren nur noch die Aussätzigen – also die Gefährder der nationalen Gesundheit – und die Prostituierten, die Gefährder der sittlichen Gesellschaftsordnung. Jeder, der mit solchen Leuten nur in Berührung kam, machte sich unrein und wurde praktisch exkommuniziert, er durfte den Tempel, also das Allerheiligste, nicht mehr betreten, außer er unterzog sich vorher einer ausführlichen rituellen Reinigung.
Bedenkt man diesen historischen Hintergrund der Zeit Jesu, so wird noch viel deutlicher, was das für ein religiöser, politischer und gesellschaftlicher Skandal war, den Jesus mit seinem Verhalten und seiner Meinung provozierte. Wir verstehen viel besser, warum sich die bürgerliche Elite – also die Pharisäer und Schriftgelehrten – darüber empörten, dass sich Jesus mit denen da unten, diesen sittenlosen Schmarotzern, abgibt, und sogar mit ihnen isst.
Jesus begegnet dieser empörten Kritik auf seine Art. Er erzählt zwei Geschichten: das Gleichnis vom verlorenen Schaf und von der verlorene Drachme. In jeder dieser Geschichten macht Jesus unmissverständlich deutlich, dass sich Gott über jeden Sünder, der umkehrt, unbändig freut, … ja noch mehr: dass er sogar alle anderen liegen und stehen lässt und sich aufmacht, gerade das zu suchen, was verloren ist – und hat er es gefunden, dann ist seine Freude grenzenlos. Ein rauschendes Fest wird gefeiert und Gott ruft allen zu: „Freut euch mit mir“.
Nicht die Empörung, sondern das Mitfreuen wäre also die Reaktion, die Gott sich wünscht. Er möchte ein Fest mit allen feiern, mit den Verlorenen und Wiedergefundenen genauso wie mit den Treuen, die ihr Leben lang bei ihm geblieben sind. Ein jeder ist eingeladen, die oben genauso wie die unten, niemand braucht also eifersüchtig zu sein und zu meinen, dass er bei Gott zu kurz käme oder ungerecht behandelt werde.
Diesen Gott, dessen Liebe unendlich ist, der jeden willkommen heißt und in seine Arme schließt, der mit jedem, selbst dem größten Sünder, ein Fest feiern will, beschreibt auch der heilige Franz von Sales in seinem theologischen Hauptwerk Abhandlung über die Gottesliebe. „Das Herz Gottes“, so schreibt er zum Beispiel, „ist so überfließend reich an Liebe, das Gute in ihm ist derart unendlich, dass alle es besitzen können, ohne dass der einzelne dadurch weniger besitzt.“
Franz von Sales bringt dann auch ein Gleichnis, nämlich das sehr schöne Bild von der Sonne und der Rose, mit dem er uns sein Gottesbild der Liebe verständlich machen will:
„Die Sonne ergießt ihr Licht auf eine Rose und tausend Millionen anderer Blumen nicht anders, als würde sie nur allein auf diese eine Rose scheinen. Und Gott ergießt seine Liebe auf eine Seele nicht weniger – wenn er auch eine Unzahl anderer liebt, – als liebte er nur sie allein. Die Kraft seiner Liebe nimmt nicht ab durch die Menge der Strahlen, die sie aussendet, sondern sie bleibt immer voll von ihrer Unermesslichkeit“.
Im heutigen Evangelium kommt am häufigsten das Wort Freude vor. Wir sollen uns also darüber freuen, wie Gott seine unendliche Liebe allen zukommen lässt, weil jeder Mensch, egal ob verloren oder nicht, ein von ihm einzigartig geliebtes Geschöpf ist und willkommen geheißen wird. Amen.
P. Herbert Winklehner OSFS