Predigt zum 2. Sonntag im Jahreskreis (Joh 1, 29-34)
Zeugnis geben
Im christlichen Glauben gibt es drei Grundsäulen, die unser Leben prägen: die Liturgie, also der Lobpreis Gottes; die Diakonie, also der Dienst für die Mitmenschen, besonders der Armen, Schwachen und Kranken; und schließlich das Martyrium, also das Zeugnis geben für unseren Glauben an Jesus Christus.
Ein ganz besonderes Vorbild für ein solches Zeugnisgeben ist Johannes der Täufer, wie wir es gerade im Evangelium gehört haben. Dreimal legt er Zeugnis für Jesus Christus ab:
„Seht das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt!“
„Ich sah, dass der Geist vom Himmel herabkam wie eine Taube und auf ihm blieb.“
Und schließlich: „Ich habe es gesehen und bezeugt: Dieser ist der Sohn Gottes.“
Johannes der Täufer bezeugt Jesus als den Retter der Welt und als Sohn Gottes, auf den der Heilige Geist herabkam und blieb.
Wir alle sind dazu berufen, dieses Zeugnis für Jesus Christus fortzusetzen. Mit unseren Fähigkeiten, in unserem Leben, in der Familie, in der Pfarrgemeinde, in der Schule, am Arbeitsplatz, im Freundeskreis.
In einer postmodernen, säkularisierten Welt, in der wir heute leben, kann das durchaus herausfordernd sein.
Ja, ich glaube daran, dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist, der Retter der Welt, vom Heiligen Geist erfüllt … Im Binnenraum der Kirche, unter Gleichgesinnten ein solches Zeugnis zu geben, ist wahrscheinlich gar nicht so schwierig. Sich dazu aber auch dann zu bekennen, wenn ich weiß, dass die Menschen um mich herum von Kirche und Christentum weit entfernt sind, ja all das für altmodisch, überholt und lächerlich halten, dann kann es durchaus schwierig werden.
Bin ich bereit, auch dann zu meinem Glauben zu stehen, wenn ich weiß, dass ich mich damit in den Kreisen, in denen ich mich bewege, lächerlich mache?
Wenn wir das Wort „Martyrium“ hören, dann denken wir zuerst eigentlich immer an all jene, die für ihr Glaubenszeugnis getötet wurden. Wir leben glücklicherweise in einer Demokratie, in der Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit herrschen. Damit ist aber die Aufgabe des Christen, Märtyrer – also Zeuge und Zeugin – des Glaubens zu sein, nicht aufgehoben. Mit meinem ganzen Wesen, durch mein Tun und Handeln auf Jesus Christus und seine Botschaft hinzuweisen, diese Aufgabe bleibt bestehen.
Unser Pfarrpatron, der heilige Franz von Sales, hatte in seinen ersten Priesterjahren eine Art Vision. Er erlebte damals eine schwierige Zeit. Er versuchte, ihm feindlich gesinnte Menschen für den katholischen Glauben zu gewinnen. Ein paar Mal ist er dabei einem Attentat auf sein Leben nur knapp entkommen. Eines Abends betete er und übergab Gott sein Leben: Ja, Gott, ich bin bereit, für dich zu sterben. Ich bin bereit, für dich den Martertod auf mich zu nehmen. Daraufhin spürte er in sich eine Stimme, die ihm sagte: Ja, du sollst ein Märtyrer für mich sein, aber nicht ein Märtyrer des Blutes, sondern ein Märtyrer der Liebe.
Franz von Sales begriff in diesem Augenblick, dass Zeugnis geben für den Glauben nicht nur darin besteht, sich für Gott töten zu lassen, sondern dass es vor allem darum geht, mit seinem ganzen Leben die Botschaft der Liebe zu verkünden – ob gelegen oder ungelegen -, die Jesus Christus in die Welt gebracht hat.
„Seht das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt! Ich bezeuge: Dieser Jesus, er ist der Sohn Gottes!“
Was Johannes der Täufer bezeugte, das wollte Franz von Sales ab diesem Zeitpunkt allen Menschen spürbar vermitteln. Diese Aufgabe gilt für jede und jeden, der Jesus Christus folgen will. Ich sollte mir also immer wieder einmal die Frage stellen: Erleben die Menschen, denen ich täglich begegne, dass Gott ein Gott der Liebe ist? Bezeuge ich durch mein Leben, dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist, mein Weg, meine Wahrheit, mein Leben? Auch dann, wenn ich dafür ausgelacht oder für altmodisch oder weltfremd gehalten werde? Amen.
P. Herbert Winklehner OSFS