Predigt zum 2. Sonntag der Osterzeit (Joh 20, 19-31)

Alles hat im Glauben Platz

Viele Menschen, auch Christen, befinden sich in genau der Situation, die wir im heutigen Evangelium gerade erzählt bekamen: Sie sind verängstigt, verstecken sich hinter verschlossenen Türen, zweifelnd, ungläubig.

Denken wir einmal an uns selbst: Sind wir immer und überall bereit unseren Glauben offen zu bekennen? Leben wir immer so, dass Gott in unserer Mitte lebt, der Glaube uns trägt, unser Handeln bestimmt? Oder schließen wir uns auch oft ab, leben, als wäre Gott tot, als gäbe es ihn nicht, weil er eben gerade nicht unseren Vorstellungen entspricht und unsere Wünsche erfüllt.

Das Ermutigende am heutigen Evangelium ist, dass in diesem Abendmahlssaal, in dem sich die Jünger eingeschlossen hatten, alle diese Gemütslagen und Gefühle des Glaubens Platz haben und sein dürfen – und die erste Botschaft, die Jesus den Aposteln verkündet, lautet ganz einfach: „Schalom – Der Friede sei mit euch“. Das heißt: Es macht nichts, dass ihr euch fürchtet, dass ihr zweifelt, dass ihr euch manchmal nicht auskennt … ich verstehe euch sehr gut, der Friede sei mit euch.

Und da gibt es sogar den Härtefall Thomas. Gott sei Dank ist auch er in dieser Runde zu finden: der Zweifler, der Ungläubige, der Beweise haben will, handfeste Beweise, der sich nicht abspeisen lässt mit bloßen Worten.

Wie geht Jesus mit ihm um? Er lässt sich tatsächlich berühren, und nicht nur irgendwie, sondern bis ins Innerste hinein, bis tief in seine Wunden, in sein Herz.

Für mich ist dieses Evangelium von den verstörten Aposteln und dem ungläubigen Thomas eigentlich immer sehr tröstlich. Es sagt mir nämlich: Du brauchst nicht perfekt zu sein, die Apostel waren es auch nicht. Und sie durften trotzdem erfahren, was der heilige Franz von Sales einmal in einem Brief geschrieben hat: „Gott hält in den Labyrinthen und Irrwegen unser Führungsseil.“ (DASal 7,133) Egal, wie es auf deiner Wanderung durch das Leben innerlich oder äußerlich aussieht, du darfst darauf vertrauen, dass Gott da ist, dich lenkt und leitet, und sich sogar von dir bis ins Innerste hinein berühren lässt. Wenn du nur ein bisschen achtsam bist, wird Gott auch in deinem Leben spürbar.

Für den heiligen Franz von Sales war „Gott spüren“ sogar ganz einfach. Überall, wo du Liebe spürst, spürst du Gott … so war seine Überzeugung. Du brauchst dich also nur auf die Suche nach Liebe in deinem Leben machen, und schon hast du Gott spürbar erfahren. Wo du Liebe spürst, spürst du den Hauch und Atem Gottes, den auch die Apostel im Abendmahlssaal spüren durften.

Für die Apostel – und damit auch für uns – bedeutet diese Erfahrung allerdings, dass wir diese Gotteserkenntnis, dieses Berührtsein von Gott weitergeben sollen. Davon war Franz von Sales ebenso überzeugt: Wer sich bewusst ist, dass er in der liebenden Gegenwart Gottes lebt, der schenkt diese Liebe weiter, so dass alle Menschen, denen er begegnet, spüren, dass Gott die Liebe ist, dass wir so sein dürfen, wie wir sind, dass Gott in allen Labyrinthen und Irrwegen das Führungsseil hält, und vor allem, dass er uns den Frieden wünscht, ja noch mehr, Schalom, das heißt das Leben in Fülle. Und zwar allen: den Glaubenden und den Zweifelnden, den Mutigen und Mutlosen, den Fröhlichen und Traurigen … Jedem sagt Gott: Schalom, der Friede sei mit dir. Er lässt sich berühren und sagt: Und nun sei nicht mehr ungläubig sondern gläubig. Mein Herr und mein Gott. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS