Predigt zum 2. Fastensonntag (Lk 9,28b-36)

Auf ihn sollt ihr hören

Jesus ist der Messias, der Gesalbte, der Sohn des lebendigen Gottes. Jesus ist es, auf den die Menschheit seit Jahrhunderten gewartet hat, in dem sich alle Hoffnungen und Prophezeiungen erfüllen.

Jesus ist es, der unseren Glauben begründet, unser Leben trägt und uns Orientierung gibt.

All das und noch viel mehr möchte uns diese Erzählung der Verklärung des Herrn auf dem Berg Tabor mit seiner tiefen Symbolik deutlich machen:

Das strahlende Gesicht und das leuchtende Weiß des Gewandes.

Die beiden Männer Mose und Elija … der Gesetzgeber und der Prophet.

Die Wolke als Bild der Anwesenheit Gottes, wie es auch das Volk Israel bei ihrer Wanderung durch die Wüste ins gelobte Land erlebte.

Und schließlich die gleiche Stimme, die auch schon am Jordan bei der Taufe Jesu erscholl: „Das ist mein auserwählter Sohn, auf ihn sollt ihr hören.“

Für die ersten Christinnen und Christen war dieses Taborerlebnis von existentieller Bedeutung. Für alle anderen war Jesus ein verurteilter Verbrecher, ein Gekreuzigter, der sich der Gotteslästerung und der Volksverhetzung schuldig gemacht hatte, auf keinen Fall konnte er der von allen erwartete Erlöser sein. All dem widerspricht die Tabor-Erfahrung fundamental: Elija, der Prophet, Mose, der Gesetzgeber stellen sich auf die Seite Jesu, und Gott selbst legitimiert ihn als den auserwählten Sohn, auf den alle hören sollen – und all das geschieht mit strahlendem Gesicht und im leuchtenden Weiß.

Was bedeutet all das für uns heute – in der Fastenzeit des Jahres 2022?

Wir erleben eine Welt in Aufruhr … der Mensch unterliegt der Versuchung der Macht und des Machbarkeitswahns und glaubt, wenn er Gott spielt, wird alles zum Besten. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Leid, Zerstörung und Chaos sind die Folge.

Die Philosophie des Jesus von Nazareth ist eine völlig andere. Sein brutales Ende in Jerusalem macht das deutlich. Es geht nicht um Macht, sondern um Hingabe. Es geht um das Kreuztragen und darum, dass der Größte von allen jener ist, der den anderen dient. Es geht um Opfer und Hintanstellen eigener Interessen, um für die anderen da zu sein. Es geht nicht darum, dass mein Wille geschehe, sondern der Wille Gottes, egal ob ich diesen Willen verstehe oder nicht.

Die Realität zeigt uns jeden Tag, wie weit wir als Christinnen und Christen, als Kirche, als Welt hinter diesem Anspruch Jesu zurück sind. Es wundert daher nicht, dass die drei Säulen der Apostelschar – Petrus, Johannes und Jakobus – nach dem Taborerlebnis geschwiegen haben. Es hat ihnen die Stimme verschlagen, als sie merkten, welche Konsequenzen dieser Jesus Christus von ihnen einfordert.

Der heilige Franz von Sales hat sich mit seiner ganzen Kraft dafür eingesetzt, dass die Menschen auf Jesus Christus, den auserwählten Sohn Gottes, hören, und nicht der Versuchungen der Macht unterliegen. In einer Predigt geht er dabei besonders auf den Frieden ein. Was er da sagte, ist gerade heute aktueller denn je. Ich zitiere:

Das „Fehlen [des Friedens] ist die Quelle allen Unglücks, aller Bedrängnis und Not … Denn ich bitte euch, woher kommt so viel Armut, unter der viele leiden, wenn nicht von der elenden Anmaßung der anderen, ihren Besitz zu vermehren und reich zu sein, auch wenn es auf Kosten des Nächsten geschieht? … Wenn der Friede unter den Menschen herrschte, würde man solches Elend nicht sehen. … Wenn die Menschen untereinander in Frieden lebten, könnte nichts ihre Ruhe stören. … Unser Herr [Jesus Christus] wusste sehr gut, wie überaus notwendig die Menschen den Frieden haben. Deshalb hat er über nichts so viel gepredigt wie über diesen Frieden, der aus der gegenseitigen Liebe hervorgeht, die er uns so sehr empfohlen hat.“ (DASal 9,334-335)

Jesus Christus ist der auserwählte Sohn, auf ihn sollen wir hören.

Vielleicht wird uns das ja gerade heute wieder mehr bewusst, nachdem wir sein Strahlen auf dem Berg Tabor erlebten und dieses Strahlen mit der Wirklichkeit in dieser Welt beleuchteten. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS