Predigt zum 2. Adventsonntag (Lk 3,1-6)

Erneuerung

Manche historische Ereignisse vergesse ich nicht, weil ich sie mit meiner eigenen Lebensgeschichte verbinde: Ich weiß genau, dass in meinem Geburtsjahr der heilige Papst Johannes XXIII. gestorben und der amerikanische Präsident John F. Kennedy ermordet wurde. Bei meinem Schuleintritt kaufte mein Vater einen Fernseher, um die Mondlandung anschauen zu können. Meine endgültige Entscheidung für das Ordensleben fällte ich im gleichen Jahr wie die Katastrophe von Tschernobyl, und meine Priesterweihe fand statt, als der Eiserne Vorhang zerriss und die Berliner Mauer fiel.

So ähnlich beginnt auch der Evangelist Lukas seine Erzählung von Johannes dem Täufer. Im fünfzehnten Jahr der Regierung des Kaisers Tiberius, Pontius Pilatus war Statthalter von Judäa, Herodes Tetrarch von Galiläa, Philippus von Ituräa und Trachonitis, und Lysanias Tetrarch von Abilene und Hannas und Kajaphas waren die Hohepriester. Genau da erging das Wort Gottes an Johannes.

Mit dieser genauen Einordnung in die Geschichte macht uns Lukas deutlich, dass sich mit Johannes dem Täufer etwas historisch Großes und Entscheidendes ereignet: Gott ist im Kommen. Der Messias, der Retter und Erlöser, auf den die Menschen Jahrhundertelang gewartet haben: Jetzt kommt er. „Alle Menschen werden das Heil Gottes schauen.“

Und das hat Konsequenzen für das konkrete Leben. „Bereitet den Weg des Herrn! Macht gerade seine Straßen! Jede Schlucht soll aufgefüllt und jeder Berg und Hügel abgetragen werden. Was krumm ist, soll gerade, was uneben ist, soll zum ebenen Weg werden.“

Jedes Jahr wird uns im Advent diese Botschaft des Johannes des Täufers nahe gebracht. Jedes Jahr werden wir mit diesen Worten darauf hingewiesen, unser Leben zu erneuern, weil Gott kommt.

Erneuerung ist ein wichtiges Element des Lebens. Wir kennen das aus dem Alltag. Es sammelt sich Staub an, der gereinigt werden muss, Müll, der entsorgt werden muss. Es gibt Abnutzungserscheinungen. Geräte, Möbel, Gegenstände müssen gewartet und gegebenenfalls ersetzt werden. Bei den Computerprogrammen und den modernen Kommunikationsmitteln gibt es regelmäßige Updates, die installiert werden müssen. Wer es nicht tut, läuft Gefahr den Anschluss zu verlieren oder vor Viren und anderer Schadsoftware nicht mehr geschützt zu sein.

Was im Alltag ganz normal ist, das ist es auch für unsere Seele, für unser Leben, für unsere Beziehungen zu den Menschen und natürlich auch für unsere tägliche Beziehung zu Gott.

Deshalb schreibt auch der heilige Franz von Sales: „Wir müssen daran denken, dass wir jeden Tag mit unserem Fortschritt … wieder zu beginnen haben … Man wird niemals fertig damit; man muss immer wieder beginnen und zwar gerne wieder beginnen. Wenn der Mensch fertig ist, … dann steht er immer noch am Anfang. Was wir bisher getan haben, ist gut, was wir aber nun beginnen, wird besser sein; und wenn wir es vollendet haben, werden wir wieder etwas anderes beginnen, das noch besser sein wird, und dann wieder etwas anderes, bis wir diese Welt verlassen, um ein anderes Leben zu beginnen, das kein Ende haben wird, da uns nichts Besseres zuteil werden kann“ (DASal 5,272).

Genau zu dieser Erneuerung lädt uns der Advent mit dem Profeten Johannes den Täufer, dem Rufer in der Wüste, ein. Bereitet dem Herrn den Weg. Erneuert euch. Unterzieht euch einem Update, damit ihr gut vorbereitet seid auf das Kommen Gottes. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS