Predigt zum 18. Sonntag im Jahreskreis (Lk 12,13-21)

Vor Gott reich sein

Wie geht das eigentlich: reich sein vor Gott, beziehungsweise Schätze im Himmel zu sammeln?

Wenn wir auf Jesus hören, dann sicher nicht so wie der Mann im Gleichnis, der nach einer sehr guten Ernte weitere Scheunen baut, um danach sein Leben zu genießen: „Liebe Seele, nun hast du einen Vorrat, der für viele Jahre reicht.“

Unser heiliger Franz von Sales entstammte einer angesehenen und durchaus wohlhabenden Adelsfamilie. Sie besaßen große Ländereien und auch einige kleinere Schlösser. Als er bereits Bischof war, wurde er eines Tages von einem erfolgreichen und durchaus ebenso wohlhabenden Mann gefragt, was er denn seiner Meinung nach tun solle, um ein gutes, und vor allem Gott wohlgefälliges Leben zu führen.

Franz von Sales nahm sich für die Antwort Zeit und schrieb ihm einen ausführlichen Brief, in dem er ihm diese Frage beantwortete. Sein erster Rat war dabei eigentlich gleich sehr erstaunlich. Er schrieb nämlich:

„Verehrter Herr, es scheint mir immer, man müsste den Sterblichen bittere Vorwürfe machen, wenn sie sterben, ohne daran gedacht zu haben; umso mehr aber jenen, die unser Herr durch das ‚Geschenk des Alters‘ begünstigt hat.“ (DASal 6,51)

Franz von Sales rät ihm also, sich mit dem Tod zu beschäftigen. Dieser Herr war zu diesem Zeitpunkt übrigens sechsundsechzig Jahre alt.

Und dann beschrieb er, worauf er in dieser Situation besonders achten soll. Dabei ging es auch um seinen Besitz. Er soll dabei nicht so sehr darauf achten, dass sich dieser noch weiter vergrößert, sondern dass er in aller Ruhe seine Angelegenheiten ordnet und sich Schritt für Schritt von den Anhänglichkeiten dieses Lebens löst, und zwar so, dass all das nicht nur ihm selbst nützt, sondern dem Wohl der Menschen um ihn herum dient. Seiner Familie, aber auch all jenen, die nicht so privilegiert sind wie er.

Wie soll er das konkret tun? Franz von Sales macht ihm einen sehr einfachen Vorschlag: Er soll „jeden Tag eine Stunde wählen, um vor Gott und seinem Schutzengel nachzudenken, was für eine glückselige Heimkehr notwendig ist.“ (DASal 6,51f).

Jeden Tag im Gebet darüber nachdenken, was für eine „glückselige Heimkehr“ in das Ewige Leben noch zu tun ist … das ist also der konkrete Rat des heiligen Franz von Sales, um sich Schätze im Himmel zu sammeln und vor Gott reich zu sein.

Der Mann im Gleichnis Jesu tat das nicht. Er überlegte vielmehr, wo er seine Ernte gut unterbringen kann, um sie noch lange Zeit genießen zu können. Die Antwort Gottes auf diesen Plan ist sehr deutlich und unmissverständlich: „Du Narr. Noch in dieser Nacht wird man dein Leben zurückfordern.“

Sich mit seiner eigenen Sterblichkeit auseinanderzusetzen, ist sicher nicht besonders angenehm. Es hat aber auch nichts mit Lebensmüdigkeit zu tun, sondern eher mit dem Gegenteil: Der Tod ist leider eine Realität, an der niemand vorbeikommt. Früher oder später trifft es jeden, und er kommt an einem Tag und einer Stunde, die wir nicht kennen. Ich stelle mich dieser Realität, ich verdränge sie nicht, sondern versuche genau deshalb, mein Leben zu ordnen und mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Und all das tue ich nicht irgendwie, sondern im Gebet, in der Gegenwart Gottes und in der Gegenwart meines Schutzengels.

Vielleicht nutzen wir den heutigen Sonntag einmal dazu, über all diese Dinge nachzudenken. Die „Ars moriendi“, also die Kunst des Sterbenlernens, hat in der Kirche eine jahrhundertelange Tradition – und diese Kunst diente vor allem dazu, wesentlich zu leben, also so zu leben, dass uns der Tod nicht unvorbereitet erwischt. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS