Predigt zum 17. Sonntag im Jahreskreis (Lk 11,1-13)
Herr, lehre uns beten
Es kommt eigentlich eher selten vor, dass ich von jemandem gefragt werde, wie beten geht. Für die Jüngerinnen und Jünger Jesu war das ziemlich klar. Wer sich als Experte in Sachen Glaube und Religion ausgibt, der muss auch wissen, wie beten geht. Daher auch die Bitte der Jünger an Jesus: „Herr, lehre uns beten!“
Wenn diese Frage heute nicht mehr gestellt wird, dann hat das wahrscheinlich zwei Gründe: Entweder wir wissen alle ganze genau, wie beten geht … oder wir wollen es gar nicht wissen, weil es uns nicht wichtig ist.
Egal, wie nun unsere Antwort ausfällt, so möchte ich aufgrund des heutigen Evangeliums doch ein paar Tipps zum Beten geben, und zwar jene, die Franz von Sales für sehr wesentlich hielt. Seine Definition des Gebetes ist dabei sehr einfach: Das Gebet ist das Gespräch mit Gott. Heute könnte man etwas moderner formulieren: Gebet ist Kommunikation mit Gott. Wir leben ja heute in einer Kommunikationsgesellschaft, die uns eine Unzahl an Möglichkeiten bietet, miteinander in Kontakt zu treten. Wir können heute miteinander kommunizieren, auch wenn uns tausende Kilometer voneinander trennen. Das Gespräch von Angesicht zu Angesicht ist also nur noch eine von vielen Möglichkeiten. Ich muss also mein Gegenüber nicht sehen, um mit ihm in Kontakt zu treten, ich muss es mir nur bewusst machen, dass mein Gegenüber existiert und da ist. Und das wäre auch der erste Rat, den uns Franz von Sales gibt, wenn es um das Beten geht: Mache dir bewusst, dass Gott da ist, auch wenn du ihn nicht siehst. Er ist da und du kannst mit ihm immer und überall in Kontakt treten. Es gibt keinen Ort, wo du das nicht kannst, es gibt also keinen Ort, wo du nicht beten kannst. Überall ist es möglich, dir die Gegenwart Gottes bewusst zu machen und zu beten. Das geht genauso leicht, wie das Handy nehmen und schnell eine SMS abschicken. Sei dir sicher, Gott hört dich, denn er steht neben dir.
Den zweiten Rat den Franz von Sales uns gibt, der ist schon etwas schwieriger. Er meint: Du kannst überall und zu jeder Zeit mit Gott über alles reden. Es gibt keine Tabus, keine Zensur. Im Gegenteil: Gott weiß ohnehin alles, was sich in deinen Gedanken, in deinem Herzen, in deiner Seele abspielt. Sprich also mit ihm über alles, was dich bewegt. Am Ende aller deiner Gebete aber, egal um was es dabei gegangen ist, ob es ein Dankgebet, ein Bittgebet, ein Lobpreis, Anbetung, oder einfach nur schweigendes Hören war, am Ende aller deiner Gebete sage: „Dein Wille geschehe!“ Damit bringst du nämlich zum Ausdruck, dass du Gott voll und ganz vertraust, dass er dein Leben sicher ans Ziel bringen wird, egal, was passiert. Daher ist das Vaterunser auch so wichtig, das Jesus seinen Jüngern lehrte: im Zentrum dieses Gebetes steht nämlich genau dieser Satz: „Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.“ Franz von Sales meint daher, dass das Vater unser das einzige Gebet ist, das wirklich notwendig ist, nicht nur, weil es das Gebet ist, das Jesus uns gelehrt hat, sondern weil es Gott deutlich macht, dass sein Wille geschehen soll.
Und schließlich sein dritter Rat: Was ist, wenn es mir die Sprache verschlagen hat, wenn ich nicht mehr beten kann? Hier sagt Franz von Sales ganz klar: Bete trotzdem! Bring auch deine Not und deine Klage, deine Sprachlosigkeit vor Gott zum Ausdruck. „Wenn du Gott keine saftigen Früchte anbieten kannst,“ so schreibt er einmal, „so gib ihm die gedörrten. Sie sind Gott ebenso lieb wie die anderen.“ Und wieder sind wir beim Vaterunser: Wenn du gar nichts beten kannst, so bete wenigstens das Vater unser. Kein Tag soll vergehen, an dem du dieses Gebet nicht wenigstens einmal gebetet hast. Und wenn du das tust, dann hast du gut gebetet, denn du hast jene Worte verwendet, die Jesus Christus selbst gelehrt hat. Amen.
P. Herbert Winklehner OSFS