Predigt zu Maria Himmelfahrt (Lk 1,39-56)

Maria – Knotenlöserin

In Bayern, in Augsburg, in der Kirche St. Peter am Perlach gibt es ein besonderes Marienbild: Maria, die Knotenlöserin. Engel reichen Maria ein endloses weißes Band mit vielen Knoten und Verwicklungen. Und Maria löst diese Knoten mit einer schier endlosen Geduld.

Dieses Bild wurde um 1700 gemalt zum Dank dafür, dass sich die Probleme und Schwierigkeiten einer Ehe auf die Fürsprache Mariens aufgelöst haben. Seither kommen die Menschen in diese Kirche mit ihren unterschiedlichsten Lebensknoten und legen sie in die Hände Mariens, damit sie entwickelt und gelöst werden.

Der heilige Franz von Sales machte mit Maria eine ähnliche Erfahrung. In der Zeit seiner tiefen Glaubenskrise als Student in Paris ging er zu einer Marienstatue in einer Kapelle in Paris. Diese Marienstatue trägt bis heute den Namen „Unsere liebe Frau von der guten Erlösung“. Dort betete er das Gebet „Gedenke o mildreichste Jungfrau Maria. Es ist noch nie gehört worden, dass du jemanden verlassen hättest, der zu dir seine Zuflucht nahm.“ Dort, im Gebet, unter dem Schutz Mariens lösten sich seine Knoten und er fand zu jenem Glauben, den sein ganzes weiteres Leben prägte: Gott ist die Liebe, und wer Ihm folgt und sich ihm voll und ganz anvertraut, der wird nicht verloren gehen.

Maria ist ein großes Geschenk für unseren Glauben und unser Leben, auch wenn viel zu oft die Marienverehrung abschreckende Formen angenommen hat und immer noch annimmt. Aber daran ist Maria sicher nicht schuld. Wer ihr Leben betrachtet, so wie sie die Bibel uns vorstellt, der entdeckt in ihr eine Frau, die ein Leben lang mit vielen Schwierigkeiten konfrontiert wurde: Schwangerschaft, Geburt, Flucht, Angst um ihr Kind, Unverständnis darüber, wie sich ihr Kind entwickelt, und schließlich das Miterleben, dass dieses Kind zum Tod verurteilt und gekreuzigt wird … In all diesen Verwicklungen, Problemen, Schwierigkeiten verlor sie allerdings nicht ihren Glauben und ihr Vertrauen zum Gott der Liebe. Sein Wille geschehe. Im Vertrauen auf Gott wird alles gut, muss alles gut werden, auch wenn wir die Finsternisse und Dunkelheiten eines Karfreitags durchleben müssen.

Genau das möchte uns Maria vermitteln, wenn wir sie verehren: Ich verstehe euch in euren Sorgen und Nöten, ich weiß, wie es in euch aussieht, aber glaubt mir: Vertraut auf Gott und eure Knoten werden sich lösen.

Das heutige Fest Maria Himmelfahrt zeigt uns das Ergebnis dieses Gottvertrauens. Maria erreicht ihr Ziel. Trotz der vielen Schwierigkeiten und Anfechtungen, die ihr Leben begleiteten. Ihr Tod ist nicht das tragische Ende eines von Leid und Schmerz geprägten Lebens, ihr Tod ist die Vollendung, ihre Himmelfahrt mit Leib und Seele, ihre Ankunft in der knotenfreien, liebenden Gegenwart Gottes.

Wir Menschen brauchen Vorbilder, an denen wir uns orientieren können. Gott ist oft so weit weg, so unbegreiflich, so der ganz andere, dass es einfach guttut, sich an Maria zu wenden, die eine von uns ist, die Sorgen des Lebens selbst erlebte und trotzdem ihr Ziel erreichte.

Es ist nicht Vorschrift, Maria zu verehren, aber es tut uns Menschen gut. In Maria haben wir jemanden, der unsere Lebensknoten versteht, der sie mit Geduld in ihre Hände nimmt und lösen hilft, egal wie verwickelt diese Knoten auch sein mögen.

Papst Franziskus ist von diesem Bild Mariens als Knotenlöserin jedenfalls begeistert. Am 12. Oktober 2013 sagte er darüber Folgendes:

„Für Gottes Barmherzigkeit – das wissen wir – ist nichts unmöglich! Auch die verworrensten Knoten lösen sich mit seiner Gnade. Und Maria hat mit ihrem ‚Ja‘ Gott die Tür geöffnet, damit er die Knoten löse. Sie ist die Mutter, die uns mit Geduld und Zärtlichkeit zu Gott führt, damit er die Knoten unserer Seele mit seiner väterlichen Barmherzigkeit löse.“ Und er schließt mit den Worten: „Heute, Mutter, danken wir dir für deinen Glauben als starke und demütige Frau; wir erneuern unsere Hingabe an dich, du Mutter unseres Glaubens. Amen.“

P. Herbert Winklehner OSFS