Predigt zum Goldenen Priesterjubiläum P. Konrad Esser und P. Manfred Karduck

Ein Instrument Gottes sein

Lesungen vom 22. Sonntag im Jahreskreis  (28. 08.2016_Overbach)

Liebe Jubilare, liebe Festgemeinde!

Man könnte diese Worte Jesu, die wir grade gehört haben, zum Anlass nehmen, jetzt einmal gleich ein paar wesentliche Korrekturen bei diesem Fest anzubringen. Bitte seid/sind Sie mir jetzt nicht böse, aber ich möchte das, was Jesus da vorhin gemeint hat, jetzt einmal wirklich 1:1 anwenden. Ich meine, uns Priestern würde es schon gut stehen, wenn wir uns in der Demut und Bescheidenheit, von der Jesus spricht, gerade zu solchen Anlässen üben würden. Ich meine, gerade als Priester sollten wir doch das Evangelium vielleicht noch ein Stück ernster nehmen, weil wir uns ja auch das Recht herausnehmen, den anderen Christen dieses Evangelium predigend auszulegen, also ihnen zu sagen, wie es zu verstehen wäre … und dann stehen wir da vorne auf den Ehrenplätzen und predigen vielleicht noch von der Demut und Bescheidenheit. Ist das alles nicht ein bisschen verkehrt gegenüber dem Verständnis Jesu. Und entschuldigen Sie bitte, liebe Festgäste, aber auch Sie sollten eigentlich zu diesem Fest gar nicht eingeladen worden sein. Denn Sie sind weder Krüppel, noch Blinde, noch Lahme und – wie ich es doch hoffe – auch nicht so arm, dass Sie nicht wissen, wie Sie am heutigen Tag noch etwas in den Magen bekommen, damit Sie nicht hungrig zu Bett gehen müssen.

Und bevor ich mir es jetzt mit dem letzten hier in dieser Kirche noch verscherze, sage ich lieber: Vergessen wir alle bitte sofort wieder, was ich grade gesagt habe. Denn wir wollen doch ein schönes Fest feiern, wir wollen Euch beide, P. Konrad und P. Manfred, jetzt danken für Eure 50 Jahre Priestersein, danken, dass Ihr uns und den vielen Menschen vor uns, denen Ihr in diesen 5 Jahrzehnten als Priester begegnet seid, etwas von diesem Auftrag, zu dem die Kirche Euch bei Eurer Weihe gesandt hat, habt spüren lassen. Und ich denke, auch Ihr beide nehmt dieses Fest zum Anlass, danke zu sagen: für Eure Berufung zum Priester, für Eure Treue zu dieser Berufung, für Eure Ordensfamilie, die Eurem Priesterverständnis ein salesianisches Kolorit verliehen hat, das wir bei Euch ja wunderbar feststellen können. Ihr seid liebenswürdige Priester, Ihr seid fröhliche und doch ernsthafte Priester, Ihr seid authentische Priester, Ihr seid eifrige Priester und Ihr seid fromme Priester. Ich hoffe, dass ich jetzt durch diese Worte nicht Eure Demut zu sehr in Versuchung führe.

Wenn ich aber jetzt auf Euer priesterliches Wirken in den vergangenen 50 Jahre schaue, dann bin ich doch wieder beim Evangelium des heutigen Sonntages. Da geht es um den Platz, den sich jeder aussucht, wenn er zu einer Hochzeit oder zu sonst einem Fest geladen ist. Und bei Euch kann man feststellen, dass auch der Platz, wo Ihr gewirkt habt, eine bestimmte Auffälligkeit an sich zieht. Du, Manfred, bist seit deiner Priesterweihe, damals etwas verspätet in der Hauskapelle des Paderborner Salesianums, hier in Haus Overbach. Und dieser Platz besteht aus den beiden ungetrennten und ebenso unvermischten Aufgaben, die Du aus deinen Begabungen auch wunderbar heranwachsen lassen konntest: das ist die Musik und das ist die Pädagogik. Während es allerdings nichts Ungewöhnliches ist, dass ein Priester gleichzeitig auch Lehrer ist (schließlich gibt es ja auch das Lehramt in der Kirche, das jeder Priester innehat), ist es ganz und gar nicht selbstverständlich oder normal, dass ein Priester eine priesterliche Sendung in der Musik bzw. im Musizieren erkennt und so wie Du auch lebst. Und ich glaube, diesen Eindruck teilen wir alle hier, dass für Dich Musik und Musizieren kein profanes Tun ist, sondern ein heiliges und daher auch ein priesterliches Tun ist. Jesus spricht im Evangelium die Demut an, das sich Zurücknehmen, das sich Schenken und das sich Verausgaben. Das sind priesterliche Merkmale, das sind aber auch Merkmale eines Musikers. Denn so wie ein Priester sich nicht selbst in den Mittelpunkt stellen soll, nicht sich selbst verkünden soll, sondern durch seine ganze Person auf Christus hinweisen soll, sich selbst also um Christi willen zurücknehmen soll, so gilt das in gleicher Weise für den Musiker. Der Musiker, der sich selbst vor die Musik stellt, die er spielt, ist ein schlechter Musiker, das Publikum wird ihn nicht anerkennen und ehren, weil er sich nur selbst darstellt und daher keine überzeugende und selbstlose Botschaft in seiner Musik ist. Und dennoch muss der Musiker sich selbst einbringen in das, was er spielt, was er komponiert, was er singt. Sonst bleibt das, was er musiziert ohne Seele. Das ist beim Priester genau dasselbe. Ein Priester, der sich selbst verkündet, wird dem Evangelium nicht gerecht und wird davon auch nichts zu den Menschen hinüberbringen. Aber auch ein Priester, der in seiner Predigt, in seinem Agieren, nicht auch selbst als Betroffener – als berührter und bewegter Mensch – vorkommt, wird sich umsonst mühen, dem Evangelium gerecht zu werden. Er muss also selbst ein betender, ein bewegter und bewegender Christ sein, letztlich ein Mystiker sein, der in sich das Geheimnis des unfassbaren und dennoch so nahen Gottes fühlt und stets auf der Suche bleibt, diese Polarität in sich irgendwie zu vereinen. Letztlich bleibt der Priester so wie der Musiker ein ständig Übender, der nie fertig ist, nie am Ziel. Wie sagte einmal ein weltberühmter Pianist: Wenn ich einen Tag nicht übe, dann merke ich es, wenn ich zwei Tage nicht übe, merkt es der Dirigent, wenn ich drei Tage nicht übe, merkt es das Publikum. Manfred, ich glaube, Deine SchülerInnen und die vielen, vielen Menschen, die Dich erlebt haben und kennen, spürten/spüren, dass Deine künstlerische sowie pädagogische Begabung mit deinem Priestersein unvermischt und ungetrennt beisammen ist. Das Spannungsfeld, das Dich lebendig hält und auch weiterhin lebendig halten soll, liegt zwischen dem Altar hier vorne und der Orgel ganz hinten.

Konrad, Du bist kein Musiker, Du bist auch nicht alle 50 Jahre Deines Priesterseins hier in Overbach gewesen. Du hast für dein Priestertum nicht so wie Manfred hier die Stabilitas loci gebraucht und dennoch hast Du in deinem Leben als Priester ein Platz gefunden, der Dich ausmacht – Dich, Konrad, als Priester und als Oblate des hl. Franz von Sales. Dieser Platz ist ein zwischenmenschliches Feld, keine Örtlichkeit, sondern ein Umfeld, und dieses Umfeld würde ich bezeichnen als salesianische Gemeinschaft. Und in diesem Umfeld der salesianischen Familie war viele, viele Jahre Deine priesterliche Sendung ein Leitungsamt. Das war Dein Platz in der Kirche, lange Zeit Dein Platz in der Ordensgemeinschaft – Du warst 16 Jahre Provinzial der deutschen Provinz, 10 Jahre Generalrat und davon 6 Jahre auch noch der Stellvertreter des Generaloberen. 8 Jahre hast Du das Salesianum in Paderborn geleitet. Das ist eine Menge an Jahren deines Priestertums, in denen Du an vorderer Stelle warst, um mit dem Evangelium zu sprechen, auf den Ehrenplätzen gesessen bist. Es waren Jahre, in denen Du Verantwortung übernommen hast. In dieser Zeit war Dein Auftrag eine Art Management, Du warst letztverantwortlich für Personalentscheidungen, Finanzentscheidungen, Strukturentscheidungen. Du warst ein treuer und guter Assistent des Generaloberen. Ich persönlich hatte den Eindruck – und ich hoffe, Sie teilen das auch mit mir – diese Aufgaben passten zu Dir, sie waren Dir nicht unangenehm oder gar lästig, du hattest sie dir zwar nicht gesucht und schon gar nicht angestrebt, aber Du nahmst sie ohne Widerstand an, und Du erfülltest die verschiedenen Leitungsämter mit Hingabe und – das darf auch sein – mit Freude! Zu Dir wurde gesagt: Freund rück weiter hinauf! Und Du nahmst diese Ehre, die man Dir angeboten hatte, auch an. Die hast Du dir nicht selbst gesucht, man hat Dir vieles anvertraut, weil Du ein guter Verwalter bist, aufmerksam, bescheiden und selbstlos. Die salesianische Spiritualität, die Dich begeistert, Dich prägt und formt, will keine falsche Bescheidenheit, sondern ermuntert in ihrer Kernbotschaft dazu: Nichts verlangen und nichts abschlagen! Wer also einen Ehrenplatz zugewiesen bekommt, der soll ihn auch annehmen und ihn nicht ablehnen … so sagt Franz von Sales, denn alles, was man widerwillig tut, macht man schlecht und was man mit Freude tut, macht man gut, weil man es mit Hingabe tut. Darin liegt auch die Verbindung hin zu Deinem Priestersein. Für das Management einer Gesellschaft oder Gemeinschaft muss man nicht Priester sein, aber ein überzeugter und begabter Priester ist auch immer ein guter Manager. Weil das Priesteramt von Grund auf auch immer ein Leitungsamt ist. Und wer sich zum Priester berufen fühlt, der weiß auch, dass ihm Leitung nicht erspart bleibt. Allerdings eine Leitung, deren Ziel nicht die Selbstverwirklichung ist, sondern das Heil und das Wohlergehen der ihm anvertrauten Menschen. Deshalb ernennt sich der Priester auch nicht selbst zu seinem Amt, sondern er wird gesandt und beauftragt, vertrauend auf die Zusage der Gnade, ein Zeichen der Liebe Gottes zu den Menschen zu sein. Sich selbst genommen und den Menschen geschenkt – so erlebte sich Franz von Sales bei seiner Bischofsweihe. So erleben wir Dich, Konrad, als Priester – ob du nun geleitet (oder „gelitten“) hast oder nicht. In Deinem Engagement zeigt sich ein Freund und Bewunderer des hl. Franz von Sales, von ihm hast Du viel gelernt und übernommen und doch bist Du DU geblieben bzw. immer mehr geworden. Nicht zuletzt eine Frucht aus Deinem Verständnis, dass Priestertum keine Karriere, sondern ein Liebesdienst ist.

Um mit einem Bild aus der Musik zu schließen … ich wünsche Euch, dass Ihr in Eurem Priestersein weiterhin ein Instrument bleibt, auf dem Gott seine liebevolle und wunderschöne Musik für uns Menschen spielen kann und dass sie durch Euch genauso liebevoll und wunderschön erklingt. Und weil Instrumente durch Ihr Alter immer wertvoller werden und daher auch immer mehr geschützt werden müssen, wünsche ich Euch, dass Ihr auch genügend Schutz und Ruhe entsprechend Eurem Alter in Anspruch nehmt, damit Ihr uns noch lange erhalten bleibt. Amen

P. Provinzial Thomas Vanek