Hintergrund
Der Alltag kehrt wieder ein…
Vor mehr als drei Wochen wurde Ecuador und mit dem Land auch viele seiner Bewohner, von einem schweren, zerstörenden Erdbeben erschüttert. Bis heute, 10. Mai, gab es bereits 1358 Nachbeben in der Stärke von 3,1 – 6,3 Grad, wobei, Gott sei Dank, in den letzten Tagen sowohl die Stärke als auch die Häufigkeit der Beben nachlässt. Von den 11 Nachbeben die es gestern gab, war das stärkste um 04:18 mit 3,3 in der Nähe von Montecristi (Manta).
Wie das geografische Institut informiert, sind diese Nachbeben normal und die Dauer ist nicht vorhersehbar; sie können Wochen oder Monate dauern, eben solange, bis die beiden Platten, die Ozeanische und die Kontinentale, die sich beim Erdbeben verschoben haben, wieder ihre stabile Lage gefunden haben. Die Bewohner müssen langsam lernen damit zu leben, dass die Erde bebt, lernen vorsichtig zu sein und trotz aller Furcht, die Ruhe zu bewahren.
Leben in den Schutthügeln
Auch in unseren vom Erdbeben schwer betroffenen Ordensgemeinschaften in der Küste Ecuadors, kehrt wieder der Alltag ein, falls man die neue Art zu leben als Alltag bezeichnen kann. Dort, wo vorher grosse Schulgebäude standen, gibt es jetzt nur noch die letzten Schutthügel, die noch darauf warten, abtransportiert zu werden. Die Nachbarhäuser aus denen vor einigen Wochen Lachen, Musik und Leben ausströmte, gibt es nicht mehr, sie sind in sich zusammengebrochen. Viele Menschen, denen man vorher auf dem täglichen Arbeitsweg, vom Schwesternhaus zum Gymnasium, begegnet ist, sind entweder im Erdbeben gestorben oder weggezogen. Die Sonntagsmessen werden in vielen Stadtteilen im Park oder auf einem Parkplatz gefeiert, da die Kirchen zerstört wurden.
Nach einer dieser Sonntagsmessen unter freiem Himmel, oder besser gesagt unter einem grossen Zelt das aufgestellt wurde damit die Menschen sich von der starken Sonne schützen können, haben unsere Schwestern von Manta, gemeinsam mit Lehrkräften und Maturaschülerinnen, die Zeltlager besucht, die als Notquartiere aufgestellt wurden, um denjenigen, die Mütter sind, zum Muttertag zu gratulieren. Eine Rose und ein Schokoriegel, den wir von Quito nach Manta schickten, war das grosse Geschenk, das viele Augen feucht werden liess. Und am Nachmittag gab es für diejenigen, die mit uns den Rosenkranz beteten, ´tortilla de mais´ con cafe. Ohne Erdbeben hätten wir vielleicht den Rosenkranz nur in der Schwesterngemeinschaft gebetet und auch den Kaffee nur unter uns geteilt. Nach dem Erdbeben sind sich viele Menschen viel näher gekommen, denn Unbekannte hatten sich in dieser furchtberen Nacht umarmt, gemeinsam gebetet, geweint und gehofft, dass ihre Angehörigen lebendig aus den Trümmern gerettet werden, oder ganz einfach aus Dankbarkeit, das sie selber noch am Leben waren.
Schulalltag nach dem Beben
Inmitten der fehlenden Infrastruktur unserer zerstörten und beschädigten Schulen haben wir bereits den Schulalltag begonnen, zwar anders als sonst, aber nicht mit weniger Entschlossenheit als all die anderen Jahre, als alles ‚normal’ war. San Plácido hat alle Räume des Erdgeschosses als Schulräume umgewandelt, Stella Maris gab an die Schüler/innen der Internationalen Matura die Aufgaben per Internet bekannt, und abwechselnd treffen sich die Schüler/innen und Lehrer in Familienhäusern, die vom Erdbeben verschont geblieben sind. Leoní Aviat, die ja kein Schulgebäude mehr hat, weil das Erdbeben alles dem Boden gleich machte, wird versuchen, ab kommenden Montag in ausgeborgten Räumlichkeiten, in einem anderen Stadtviertel, das vorbereitende Schulprogramm (psychologische Betreuung und spielerisches Lernen) zu beginnen, und Rocafuerte, ebenfalls ohne Schulräume, weil beide Gebäude abgerissen werden mussten, wird in Fertigbauhallen auf dem alten Sportplatz der Stadt ebenfalls bald die Türen öffnen.
Wieviel körperliche und geistige Kraft das alles bedeutet, können Sie sich kaum vorstellen. Aus den Trümmern alles das zu retten, was irgendwie noch Wert haben könnte, bei den Nachbeben, trotz des Schreckens so zu tun, als ob gar nichts passieren würde, um andere zu beruhigen, die noch nervöser sind, wochenlang nur mit einem Auge zu schlafen, um schnell auf den Beinen zu sein und den älteren oder schwächeren die Hand geben zu können, falls man aus dem Haus laufen müsste, die Arbeit eines ganzen Lebns in Trümmern zu sehen,… und immer und überall noch schwerer geprüften Menschen zu helfen. Unsere menschliche Kraft wäre schon längst zu Ende, aber unser Glaube an die Barmherzigkeit Gottes, der uns aus Liebe aus dem Nichts schuf, damit auch wir das Lieben lernen, lässt uns jeden Tag mit einem dankbaren Herzen beginnen und mit Mut an die Arbeit zu gehen.
Wo wir persönlich nicht hinkommen, weil unsere Kräfte und Möglichkeiten beschränkt sind, haben wir Mitarbeiter/innen, die im ländlichen Gebiet Hilfe bringen: Lebensmittel, Wasser, Windel, Medikamente,…. und ein gutes Wort, das Mut gibt, tröstet und aufrichtet.
Uns aus den Trümmern erheben, die Augen zum Himmel erheben, die Hände im gemeinsamen Zusammenarbeiten verbinden und neu anfangen – trotz allem oder gerade deswegen. –
Wiederaufbau
Nach 99 Jahren, die unsere Ordensgemeinschaft in Rocafuerte lebt und wirkt, in denen sie langsam aber beständig daran arbeitete, das Gymnasium für 720 Schülerinnen zu bauen, zu verbessern und zu verschönern, sind wir auf’s Neue vor dem Nichts. Nichts anderes als zwei Schulräume, die vor zwei Jahren mit Hilfe der oberösterreichischen Landesregierung gebaut wurden, und einem Schulzimmer, das als Computerraum der Volksschule vorgesehen war, aber noch nicht fertigestellt ist, bleibt nur ein wüstes Grundstück übrig, das darauf wartet, in neuen Schulgebäuden frohes Kinderlachen zu hören und stolze Eltern zu sehen, die den Schulerfolg ihrer Kinder feiern.
Ein ganz herzliches Dankeschön an alle jene, die uns grossherzig geholfen haben, um die erste, größte Not zu lindern, und ein Bitteschön an Sie alle, uns nicht zu vergessen.
Nachdem wir Lebensmittel, Wasser, Medikamente, Decken und Zelte an noch Ärmere verteilt, und begonnen haben, unsere beschädigten Schulen zu reparieren, müssen wir jetzt daran denken, die zerstörten Gebäude neu aufzubauen, denn mehr als 1500 Schüler/innen warten darauf, auch weiterhin eine gediegene, ganzheitliche, katholische Schulbildung zu erhalten. Unser Gymnasium ´Leoní Aviat´, das bisher in Tarquí, des am stärksten betroffenen Stadtteils von Manta funktionierte, muss unweigerlich ´auswandern´. Tarquí wurde zur ´Zona 0´ erklärt, ist kontaminiert, auf Grund der hohen Verwesungsrate, und kann nicht mehr als Schulort eingesetzt werden. Unsere Ordensgemeinschaft hat seit vielen Jahren einen Grund in Urbirios, einem Stadtteil, in den viele Menschen, die in Tarquí ihr Haus verloren haben, umgesiedelt werden, um dort ein neues Leben beginnen zu können. Wie wunderschön wäre es für viele, in ihrem neuen Lebensraum die Schule wiederzufinden, in der ihre Kinder sich wohlgefühlt haben. Ein Lichtblick in der Traurigkeit, eine Hoffnung inmitten der Verzweiflung.
Bitte um großzügige Spenden
Ob wir unseren und den Traum vieler leidgeprüfter Menschen aus Tarquí verwirklichen können, hängt auch von Ihnen und vielen grossherzigen Menschen ab. Mit eigener Kraft und mit eigenen Mitteln kann unsere Ordensgemeinschaft den Neuaufbau von zwei großen Gymnasien nicht schaffen, wenn wir aber Wohltäter haben, die großzügige Spenden geben, wird die Klagemauer unserer Gebete und Bettelbriefe sich in eine Jubelmauer lebendiger Steine verwandeln, Steine die bergende Schulräume bilden.
Möge Gott Sie alle davor beschützen,in solche oder ähnliche Lebenssituationen zu kommen, in denen sich die Bevölkerung von Manabí und unsere Ordensgemeinschaft in Ecuador befindet, und Ihre Herzen mehr und mehr öffnen und sensibilisieren, um mit ihrer Gabe ein neues Lächeln in Kindergesichter zu zaubern und Hoffnung in diejenigen der Erwachsenen.
Mit herzlichen Grüßen und der Gewissheit, nicht ungehört zu bleiben,
Sr. Klara Maria Falzberger OSFS
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