Hintergrund
Wie Sie alle wissen, wurde Ecuador, vor allem die Küstengebiete von Esmeraldas y Manabí, am 16. April 2016 von einem Erdbeben der Stärke 7,8 erschüttert. Erst langsam fängt man in Manabí wieder an, ein normales Leben zu führen. In den meisten Städten und Dörfern von Manabí und Esmeraldas nächtigen die Menschen immer noch unter freiem Himmel, sei es weil sie durch das Erdbeben ihre Bleibe verloren, oder ganz einfach weil sie immer noch Angst vor starken Nachbeben haben. Auch wir Schwestern machen es nicht anders. In unserer Kommunität von Manta stehen einige Zelte auf dem Sportplatz unseres Gymnasiums, die als Nachtlager dienen.
Nachbeben unter freiem Himmel
Ich komme gerade von meiner Rundreise in Manabí, der vom Erdbeben stark betroffenen Provinz, zurück und habe mit eigenen Augen die Schäden gesehen, die Not der Menschen in meinem Herzen miterlebt und auch in einer der Nächte, die ich dort verbrachte, das Matratzenlager unter freiem Himmel mit allen geteilt, da ein Nachbeben mit der Stärke 6,3 uns aus den Zimmern verscheucht hat. In solchen Momenten sitzen alle beisammen, beten, hören, was der Radio über die momentane Lage sagt, (falls sie einen mit Batterie haben, denn der Strom ist noch nicht in allen Gebieten wiederhergestellt, ebenso wie die Wasserversorgung), und warten…
„Nur“ materielle Schäden
Wie ich Ihnen schon in meinem ersten Schreiben mitteilte, sind wir alle von ganzem Herzen Gott dankbar dass wir in unserer Ordensgemeinschaft keine Toten beklagen müssen, und unsere Schäden „nur“ materielle sind.
Sie fragen sich vielleicht, wie der Schäden an den Schulen der Oblatinnen konkret ausschauen. Wir haben in Manabí drei Niederlassungen mit vier Schulen. Zwei dieser Schulen, beides Gymnasien, in denen wir mehr als 1400 Schüler unterrichtet haben, sind total zerstört. „Leoní Aviat“ in Manta, Tarquí, der am stärksten betroffenen Zone in Manabí, ist dem Erdboben gleich, und „San Francisco de Sales“ in Rocafuerte ist bereits zu 40 % eingestürzt, und der Rest des Gebäudes hat so starke strukturelle Schäden, dass nichts anderes übrigbleibt als es abzureißen. Unsere Schulen „Stella Maris“, ebenfalls in Manta, und „Santa Magdalena“ in San Plácido (Portoviejo) haben zerstörte Innenmauern, geborstene Fenster, zersprungene Fliesenböden, aber zum Glück keine strukturellen Schäden und können somit repariert werden.
Fünfzehn Tote unter den Schüler/innen
Die Häuser oder Wohnungen von zahlreichen Lehrern und die von vielen Schüler/innen wurden teilweise oder völlig zerstört, und bisher haben wir die Gewissheit, dass fünfzehn von unseren Schüler/innen beim Erdbeben ums Leben gekommen sind. Diese Zahl kann aber noch ansteigen, da wir die offizielle Liste der Opfer noch nicht überprüft haben.
Schulbeginn in Etappen
Der Unterrichtsminister hat heute, 25. April 2016, verkündet, dass in Schulen, in denen es keine größeren Schäden gibt, der Unterricht mit Mai beginnen könnte, wobei das aber die Ausnahme sein wird. Der Einstieg in den Unterricht wird etappenweise sein: mit spielerischen Aktivitäten, mit emotionaler Unterstützung, und dann, ab 4. Juli, mit dem offiziellen Schulbeginn, auf akademischer Ebene. Die Schule soll für die Kinder und Jugendlichen ein Ort sein, in dem sie das Erlebte aufarbeiten können, um daraus Kraft für die Zukunft zu schöpfen. Viele Kinder haben Eltern, Geschwister oder Freunde durch das Erdbeben verloren, und im Gegensatz zu den Erwachsenen, die nicht genug reden können, schweigen die Kinder. Tamaris, 8 Jahre alt, hat ein Hemd ihres verstorbenen Vaters, der mit seinem Körper den ihren schützte, schaut es an, riecht daran und steckt es wieder in den Plastiksack, in dem sie es immer mit sich trägt, erzählt aber kein Wort über das, was sie vor acht Tagen erlebt hat.
Schwierige Situation
Wie sie sich vorstellen können, sind auch unsere Schwestern in einer sehr schwierigen Situation. Auch wenn es in unserer Kommunität keine Opfer gibt, haben einige Schwestern Familienangehörige verloren, viele leiden darunter, dass ihre Angehörigen ohne Wohnung, ohne Arbeit geblieben sind, und in allen sitzt sehr tief der Schrecken des er- und überlebten Erdbebens. Eine gewisse Nervosität wegen der häufigen und oft starken Nachbeben ist ebenfalls in fast allen zu spüren…
Von Quito aus versuchen wir mit unseren Schwestern über Handy in Kontakt zu bleiben, zu ermutigen, zu trösten, Hilfskonvoys mit Lebensmitteln, Wasser, Toilett- und Putzsachen, Windeln und Medikamenten,… zu organisieren.
Notfallplan und Neuaufbau
In den nächsten Tagen müssen wir in allen unseren betroffenen Schulen einen Notfallplan erstellen, um, sei es in Speisesälen, sei es in vorgefertigten Klassenzimmern, unseren Schüler/innen den Schulbetrieb zu sichern. Gleichzeitig muss in den nächsten Wochen die Sanierung der beschädigten Schulen von Statten gehen, die beiden zerstörten Gymnasien abgerissen und das Gebiet von Trümmern gereinigt werden. Die Hauptaufgabe in den kommenden Monaten besteht darin, Pläne für einen etappenweisen Neuaufbau der zerstörten Schulen und ein Selbstmanagement für die Finanzierung des Neubaus zu erstellen.
Auf dem Papier scheint vieles machbar, die Umsetzung im konkreten Leben und in solchen Extremerfahrungen ist jedoch um vieles schwieriger. Es kommt darauf an, im jeweiligen Augenblick das gerade Richtige und Notwendige nicht nur zu träumen oder durchzudenken, sondern auch zu realisieren, und gerade dafür fehlt uns vor allem das notwenige Kapital.
Bitte um moralische und finanzielle Unterstützung
Meine Bitte an Sie alle ist eine moralische und finanzielle Unterstützung unserer Werke und damit der Küstenbevölkerung Ecuadors, deren Bewohner durch das Erdbeben der Stärke 7,8 Angehörige, Häuser, Arbeit und auch ihre Schulen verloren haben. Jeder Euro, jeder Dollar, mit dem sie uns unterstützen, wird der Ausbildung der Kinder und Jugendlichen dienen, die seit mehr als 100 Jahren in unseren Schulen eine integrale Schulbildung erfahren haben und die jetzt weinen, weil „ihre“ Schule zerstört ist.
Ohne Ihre Hilfe fehlt uns ganz einfach das notwendige Kapital, um das wieder aufbauen zu können, was unsere Schwestern während vieler Jahre, langsam, mit viel Mühe und Schweiß auf die Beine gestellt haben. In Rocafuerte werden wir 2017 hundertjähriges Jubiläum feiern, in San Plácido feierten wir heuer sechzigjähriges Bestehen.
Möge Gott Sie segnen und Ihre Großzügigkeit reichlich lohnen, denn: „Was du einem der geringsten meiner Brüder getan hast, hast du mir getan.“
Schwester Klara-Maria Falzberger OSFS
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