Predigt zum 4. Sonntag der Osterzeit (Joh 10,27-30)

Der Gute Hirte: Gottvertrauen

Zur Verdeutlichung des heutigen Evangeliums habe ich heute eine Geschichte mitgebracht und ein besonderes Wort, nämlich „NON EXCIDET“ … Was dieses Wort bedeutet, bzw. was es damit auf sich hat, erkläre ich später, jetzt will ich erst einmal die Geschichte erzählen:

 

Hoch über dem Marktplatz einer kleinen Stadt hatte ein Seiltänzer sein Seil gespannt und machte dort oben unter den staunenden Blicken vieler Zuschauer seine gefährlichen Kunststücke.

„Glaubt ihr, dass ich da auf diesem Seil rübergehen kann?“, fragte er in die Menge.

„Ja, wir glauben es“, riefen die Menschen und schauten dem lebensgefährlichen Unternehmen gespannt zu. Und so ging er in luftiger Höhe mehrmals über das gespannte Seil.

Gegen Ende der Vorstellung holte er eine Schubkarre hervor und fragte die Anwesenden: „Glaubt ihr, dass ich auch mit diesem Schubkarren rüberkomme?“

„Ja, wir glauben es, du schaffst es!“ schrieen die Zuschauer begeistert.

Und tatsächlich kam er mitsamt Schubkarren am anderen Ende an, und die Menschen waren begeistert.

Dann fragte der Seiltänzer die Zuschauer: „Wer will sich in die Schubkarre setzen, damit ich ihn dann über das Seil schiebe?“

Da wurden die Mienen der Zuschauer ängstlich. Nein, dazu hatten sie keinen Mut! Nein, keiner traute sich das.

Plötzlich meldete sich ein Junge. „Ich setze mich in die Karre“, rief er, kletterte hinauf, und unter dem gespannten Schweigen der Menge schob der Mann das Kind über das Seil. Als er am anderen Ende ankam, waren alle außer sich vor Begeisterung und klatschten begeistert Beifall.

Einer aber fragte den Jungen: „Sag, hattest du keine Angst da oben?“

„Oh nein“, lachte der, „der mich über das Seil schob, ist ja mein Vater!“

 

Nur das Kind hatte den Mut, sich in die Schubkarre zu setzen, obwohl alle sahen, was der Seiltänzer alles kann … aber nur das Kind hatte so viel Vertrauen, weil der Seiltänzer sein Vater war.

Genau das möchte uns auch Jesus Christus im heutigen Evangelium beibringen, wenn er sagt: „Ich bin der gute Hirte … ich kenne meine Schafe, sie hören auf meine Stimme, sie folgen mir. Sie werden niemals zugrunde gehen.“

Franz von Sales Bischofswappen FA_3Genau jetzt sind wir bei meinem Wort angelangt, das ich schon am Anfang erwähnt habe: „Non excidet“ … das ist Lateinisch und heißt auf Deutsch: „er oder sie oder es wird nicht zugrunde gehen“ – „er oder sie oder es wird nicht verloren gehen.“ Das ist nicht nur das, was Jesus, der Gute Hirte, im heutigen Evangelium gesagt hat, es hat auch etwas mit unserer Pfarrgemeinde zu tun. Dieses Wort hat sich nämlich unser Pfarrpatron, der heilige Franz von Sales, für sein Bischofswappen ausgesucht. Er war nämlich felsenfest davon überzeugt: wenn ich voll und ganz auf Gott vertraue, dann werde ich nicht zugrunde gehen – und er wollte als Bischof für die Menschen so sein wie Jesus: ein guter Hirte, auf den man sich verlassen kann, dem ich vertrauen kann.

Das wäre also die Botschaft, die wir uns vom heutigen Sonntag mitnehmen könnten: Wer auf Gott vertraut und ihm folgt, der wird ans Ziel kommen, egal was passiert: er wird nicht verloren oder zugrunde gehen. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS