Liebe entschleunigt, Zwang bewirkt Stress

Herbsttagung der AG Salesianische Spiritualität

Am Freitag, 21.10.2022 hat die AG Salesianische Spiritualität mit ihrer Herbsttagung die besondere geistliche Beziehung zwischen Franz von Sales (400. Todestag) und Johanna Franziska von Chantal (450. Geburtstag) im Jahr des salesianischen Doppeljubiläums beleuchtet. Nachdem die Jahrestagung (März 2022) mit dem salesianischen Motto „Alles aus Liebe, nichts aus Zwang“ den Fokus auf die Anfänge der geistlichen Beziehung zwischen Franz, dem Bischof von Genf, und Johanna Franziska, der jungen verwitweten Mutter von vier Kindern, gelegt hatte, stand bei der Herbsttagung die letzte Begegnung zwischen den beiden salesianischen Heiligen im Mittelpunkt des Interesses.

Am 12. Dezember 1622 trafen Franz und Johanna ein letztes Mal für wenige Stunden im Kloster der Heimsuchung in Lyon aufeinander. Bei dieser Unterredung blieb keine Zeit für den Austausch persönlicher Anliegen. Im Himmelpunkt standen zu regelnde organisatorische Belange von Heimsuchungsklöstern. Obwohl sich die beiden Heiligen zu diesem Zeitpunkt schon mehr als drei Jahre nicht gesehen hatten, war dieses kurze Treffen frei von Zwang und Stress. Beide, Franz und Johanna, waren in ihrer wechselseitigen Beziehung von einer Form der Liebe geprägt, die auch diese letzte irdische Begegnung in einem Geist der Gelassenheit und Entschleunigung verlaufen ließ, wie Sr. M. Franziska von Dohlen OVM (Heimsuchungskloster Zangberg) und P. Herbert Winklehner (Oblate des hl. Franz von Sales in Wien) in ihren fachlich fundierten Beiträgen herausarbeiteten.

Dass und wie sich geistliche Begleitung heute in einem salesianischen Geist ereignen kann, dieser Frage gingen Anja Lindner und P. Herbert Winklehner OSFS in einem Live-Dialog nach. Darin wurde deutlich, dass die besondere geistliche Beziehung zwischen Franz von Sales und Johanna Franziska von Chantal einerseits eine Vorbildfunktion für das Zusammenspiel von geistlicher Begleitung und begleiteter Person haben kann, andererseits aber heute geistliche Begleitung sich in ihrem Selbstverständnis weiterentwickelt hat.

Die ca. 20 Teilnehmenden tauschten sich anschließend in Kleingruppen über ihr persönliches Verständnis von Liebe und Entschleunigung, Zwang und Stress geistlich aus. Am Ende der zweistündigen Digitalveranstaltung brachte es eine Teilnehmerin prägnant so auf den Punkt: „Franz von Sales  und Johanna Franziska von Chantal waren verfügbar für die Menschen. Auch ich will so handeln. Aber manchmal muss ich auch lernen `Nein´ zu sagen, um zu viel Stress in meinem Leben zu entkommen.“

Dr. Thomas Günther, Paderborn